Werke

An unsere Schule kam ein Hund

 

An unsere Schule kam ein Hund.

Er kam auf seinem Fahrrad.

Besuchte unsere Klasse und

hatte die Schultasche im Mund.

 

Wir staunten alle gar nicht schlecht,

besonders unser Lehrer.

Ihm war das erst gar nicht recht,

denn der Hund war wirklich echt.

 

Doch freudig wedelte sein Schwanz,

und er suchte sich mit einem Satz

– einen Platz.

 

So begann die Mathestunde

mit Minus, Plus, Malnehmen, Teilen.

Der Hund schrieb mit dem Stift im Munde.

Staunen machte schnell die Runde.

 

Das sollte die Direktorin sehen.

Ein Hund, der schreiben kann und rechnen!

Ihr blieb der Mund dann offen stehen.

Wer konnte so was schon verstehen?

 

Der Hund hieß „Stupsi“ und er blieb

auch in den nächsten Stunden.

Er bellte wenig und war lieb,

rannte beim Sport mit uns die Runden.

 

Selbst in Musik war er begeistert,

heulte im Takt und jaulte,

hat sogar Melodien gemeistert,

so dass die Lehrerin ihn kraulte.

 

Die letzte Stunde war vorüber.

„Stupsi“ stieg traurig auf sein Rad,

und fuhr langsam zum Heimweg rüber,

doch wir riefen: „Komm bald wieder!“

 

 

Anke Dittmann 19.4.2015©

 

 

 

 

 

Ach du liebe Zeit

Ach, du liebe Zeit,

man kann dich vergeuden und totschlagen,

man kann dich vergammeln oder verlieren,

man kann dich verplempern oder verbummeln.

 

Ach, du liebe Zeit,

mal rennst du davon, mal verfliegst du im Nu,

mal wirst du uns geraubt und mal gestohlen,

mal wirst du mir zu lang, mal vergehst du im Flug.

 

Ach, du liebe Zeit,

man kann gegen dich anrennen oder gut in dir liegen,

man kann sich dich um die Ohren schlagen

oder mit dir einen Wettlauf machen,

man kann mit dir gehen oder hinter dir zurück sein.

 

Ach, du liebe Zeit,

du bist Geld oder reif, mit dir kommt Rat

und man kann dich ins Land gehen lassen,

man kann auf dich spielen

und du kannst für oder gegen jemanden arbeiten.

 

Ach, du liebe Zeit,

du heilst Wunden und bist der beste Arzt,

aber für Geld kaufen kann man dich nicht,

und was von dir verloren ist, fängt man nie wieder ein.

 

Ach, du liebe Zeit.

Dabei wissen wir doch: Alles hat seine Zeit

und ist von Gott geschenkte Zeit, von Eile hat er nichts gesagt,

doch wir lassen uns keine Zeit.

 

Wir wollen auf der Höhe von der Zeit sein

und vieles über die Zeit retten,

dabei haben wir oft kaum Zeit, Luft zu holen

und ignorieren den Zahn der Zeit.

 

Wenn uns jemand zu unchristlicher Zeit aufsucht, sind wir verärgert

und wenn uns jemand ärgert, denken wir:

Warte, meine Zeit kommt noch.

Bei all dem ist es nur eine Frage der Zeit,

bis wir unsere Zeit zum Träumen ganz verlieren.

Dabei kommt die Zeit zu jedem, der warten kann.

Doch wir sagen zu oft:  Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.

 

Mit der Zeit lernen wir vielleicht mehr und mehr zu sagen:

ich lasse mir viel Zeit oder ich habe sogar alle Zeit der Welt.

Wie gut, dass Gott die Ewigkeit in unser Herz gelegt hat.

 

Anke Dittmann©

 

 

 

 

 

 

 

 

Spontantheater: Rache ist Blutwurst

Im Vorfeld tun sich immer zwei zusammen und schreiben auf einen Zettel eine Lebensweisheit und falten das Blatt zusammen. Dies wird dann verdeckt in einen Korb auf die Mitte der Bühne gelegt.            

Rollen:

Erzähler/in

Ludwig, der Lustmolch (der Geliebte)

Grete, die vernachlässigte Ehefrau

Ernst, der ernste (der betrogene Ehemann)

Susi, die güldene Sonne

Herta und Emil, ein altes verliebtes Ehepaar

Mitch, der Rettungsschwimmer

Krasen, der Einsiedlerkrebs

Martha, die Miesmuschel

Nico und Nicole, frisch verliebte Teenys

Poko, der Strandkorbvermieter

Wolle, die freundliche Wolke

Vorhang

 

Alle anderen sind Publikum

 

E.:  Rache ist Blutwurst. Der Vorhang geht auf.

Ein Tag am Strand. Kein Tag wie jeder andere.

Schon früh aufgestanden ist Susi, die güldene Sonne, die schon fast die Hälfte ihrer Höhe erreicht hat. Sie strahlt und spricht ihr Tagesmotto (Zettel nehmen und vorlesen)

Publikum: AAHH!

E.: Als erster am Strand findet sich wie immer Poko, der Strandkorbvermieter ein.

Er hat gute Laune und singt:

Poko: Sonnenschein – bringt mir Geld ein, ich will immer Strandkorbvermieter sein, gib mir schnell deinen 5 Euro Schein, Sonnenschein bringt mir Geld ein. (nach Wochenende und Sonnenschein)

E.: Martha, die Miesmuschel, die wie immer faul am Strand liegt, wacht davon auf und mault:

Martha: Jeden Morgen das gleiche Lied. Hier ist auch nichts los.

E.: In diesem Moment kommt Mitch, der sportliche Rettungsschwimmer, an den Strand. Seinem durchtrainierten Body kann hier kaum eine wiederstehen. Mitch erklärt dem Publikum am Strand:

Mitch: Wenn ich zweimal pfeife, ist Bikinialarm.

Publikum: Ohh!

E.: Mitch begibt sich auf den erhöhten Platz, wo er alle am Strand und im Wasser überblicken kann. (Stuhl)

E.: In diesem Moment kommen Grete und ihr Geliebter Ludwig an den Strand. Sie mieten sich bei Poko einen Strandkorb für zwei.

Sie nehmen im Strandkorb Platz.

Gerade als Ludwig Grete leidenschaftlich küssen will, sagt sie:

Grete: Ludwig, du mein großer Schatz, ich widme dir jetzt diesen Satz: (Zettel nehmen)

E.: Ludwig sichtlich ergriffen von dieser Lebensweisheit, will Grete in nichts nachstehen und sagt:

Ludwig: Grete, du mein Sonnenschein, diese Worte, sie sind dein. (Zettel)

E.: Vor lauter Rührung vergessen die beiden, sich zu küssen.

Publikum enttäuscht: Ohhh!

E.: Da erscheinen Herta und Emil am Strand. Beide sind schon 65 Jahre miteinander verheiratet. Herta, immer noch auf ihr Äußeres bedacht, trägt ihren Lieblingsbikini. Mitch, der vergessen hat, seine Kontaktlinsen einzusetzen, pfeift zwei Mal mit beiden Fingern im Mund.

Mitch pfeift.

E.: Doch als beide näherkommen und Mitch Emils Stock erkennt und das Alter von Herta, erschreckt er heftig und entschließt sich, lieber seine Brille aufzusetzen.

Emil ist schon sehr schwach und muss Pause machen. Als er stehen bleibt, sagt er zu Herta:

Emil: Zettel

Herta antwortet: Emil, das hast du aber schön gesagt. Ich liebe dich wie am ersten Tag.

E.: Beide fallen sich in die Arme und setzen sich in den Sand.

E.: In diesem Moment stellt sich Wolle, die Wolke vor Susi die Sonne, eine kleine Brise kommt auf und Krasen, der Einsiedlerkrebs, wird an den Strand gespült. Er sieht Herta und Emil und denkt:

Krasen: Zettel

E.: Er begrüßt Martha freundlich, die ihn aber nur anmeckert.

Martha: Lass mich in Ruhe! Besser allein sein, als mit nem Einsiedler zusammen sein.

E.: Krasen zieht sich beleidigt in sein Haus zurück.

E.: Susi die Sonne hat jetzt fast ihren Mittagshöhepunkt erreicht und strahlt immer noch. Wolle, die Wolke, hat sich einen Platz weiter östlich gesucht.

Jetzt kommen auch Nico und Nicole Hand in Hand

an den Strand. Sie gehen an Poco vorbei. Das Geld ist bei dem jungen Paar zu knapp für einen Strandkorb. Deshalb haben sie auch ihren Picknickkorb dabei.

Diesmal schaut Mitch zweimal hin, bevor er pfeift. Nicole hat wirklich einen klasse Bikini an und hat ’ne Superfigur. Auch Emil entgeht das nicht und er winkt mit seinem Stock zu ihr herüber.

Auch das Publikum ist begeistert und pfeift.

E.: Bei diesen normalen und alltäglichen Stranderlebnissen hat niemand Ernst, Gretes ernsten Ehemann, entdeckt, der sich hinter dem Strandkorb von Grete und Ludwig versteckt hält. Die ganze Zeit hat er beide beobachtet und belauscht. Er ist stinkwütend.

Ernst: Grete, meine Angetraute, ist ja eine ganz Versaute. Darum werde ich mich rächen und den Ludewig erstechen.

Publikum: Ohh!

E.: In diesem Moment packen Nico und Nicole ihren Picknickkorb aus. Nico hat es gern rustikal und hat sein großes, scharfes Wurstmesser dabei. Ernst hat damit die perfekte Mordwaffe gefunden.

Da Susi jetzt eine unglaublich Wärme verbreitet, entschließen sich Nico und Nicole baden zu gehen.

Der Zeitpunkt scheint günstig für Ernst. Er schleicht sich an und schnappt sich das Messer.

Krasen, der es aus seinem Häuschen gesehen hat, ruft:

Krasen: Endlich passiert hier mal etwas, das wird sicher ein Mordsspaß.

E.: Martha die Miesmuschel klappt ihre Schalen weit auf, weil sie auch nichts verpassen will.

Wolle, die das Drama ahnt, verdeckt Susi die Sicht, weil sie sonst Regen schickt, wenn sie so brutale Sachen sieht.

E.: Grete und Ludwig liegen ineinander verschlungen im Strandkorb und ahnen nichts Böses.

Grete stöhnt: O, mein Ludwig, mein Geliebter.

E.: Und Ludwig antwortet:

Ludwig: O, meine Grete, meine Liebe.

E.: Da stürzt Ernst mit dem Messer hinter dem Strandkorb hervor.

Grete schreit auf: Ernst!

Ernst ruft: Zettel und rammt Ludwig das Messer in den Bauch. Dieser fällt nach hinten Grete in die Arme. Er ist schwer verletzt und weiß, dass er sterben muss. Seine letzten Worte sind:

Ludwig: Zettel

E.: Grete bricht schluchzend über Ludwig zusammen.

Martha, die Miesmuschel, sagt: Das war wirklich mies.

E.: Mitch, vom Schrei der Grete aufgeschreckt, kommt herbeigerannt. Er ruft per Handy den Notdienst, doch auch er weiß, Ludwig ist nicht zu retten.

Poco hat mittlerweile Ernst überwältigt, als dieser das blutüberströmte Brotmesser zurück in den Picknickkorb legen wollte.

E.: Ernst wird von Mitch und Poco abgeführt.

Jetzt kommen Nico und Nicole aus dem Wasser zurück. Sie haben von all dem nichts mitbekommen. Sie haben Hunger und Nico nimmt unbedarft das blutige Messer und schneidet die Wurst. Als er die Wurst in den Mund nimmt, sagt er:

Nico: Ich liebe Blutwurst.

E.: Emil, eigentlich schwerhörig, horcht beim Wort Blutwurst auf. Ihm läuft das Wasser im Mund zusammen. Noch einmal winkt er mit dem Stock zu dem jungen Pärchen.

Nicole lädt Herta und Emil zum Picknick ein. Jetzt lässt Wolle auch Susi wieder scheinen und zieht von dannen.

Grete hält ihren toten Ludwig noch in den Armen.

In der Ferne hört sie die Sirene des herbeigerufenen Notarztwagens:

Publikum: Tatü, tata.

E.: Ansonsten kehrt wieder Ruhe ein am Strand.

Krasen zieht sich gelangweilt in sein Haus zurück und lässt sich mit der nächsten Welle fortspülen.

Nur Martha bleibt am Strand. Wie es sich für eine miese Miesmuschel gehört, hat sie auch an diesem Tag das letzte Wort.

Martha: Zettel.

Susi entschließt sich unterzugehen und der Vorhang schließt sich.

 

 

Anke Dittmann©

Der Stern von Weihnachten ist…

 

Der Stern von Weihnachten ist…

nicht irgendeiner

nicht allein für dich

nicht allein für mich

nicht nur für die Könige.

 

Der Stern von Weihnachten ist…

am Himmel

vom Himmel

und führt zum Himmel auf Erden

ein Wunder.

 

Der Stern von Weihnachten ist…

eine Erinnerung an etwas unendlich Liebevolles

eine Wegweisung zum Himmel hier und jetzt

etwas, was du nicht verpassen solltest

eine Einladung, sich aufzumachen zu Gott.

 

 

Anke Dittmann 9.12.2015©

 

 

 

 

Viel besser als gedacht

 

Die diesjährigen Osterferien drohten zu einer Katastrophe zu werden. Die Zwillingsschwestern Kristin und Katharina sollten die Ferien bei ihrer Großmutter verbringen. Ihre Mutter musste ins Krankenhaus und der Vater konnte keinen Urlaub nehmen.

„Wir haben aber gar keine Lust auf Oma“, sagte Katharina zu ihrer Mutter. „Wir sind doch schon groß genug, um allein zu bleiben und morgens und abends ist Papa ja da.“

„Ich habe aber mehr Ruhe, wenn ihr bei meiner Mutter gut versorgt seid. Außerdem freut sie sich auf euch“, entgegnete die Mutter.

Katharina schwieg. Sie wusste, dass ihre Mutter Angst hatte vor dem Krankenhaus und sie wollte ihr nicht noch mehr Sorgen machen.

Trotzdem waren sie mit ihren zehn Jahren doch alt genug, auch allein zu bleiben. Und Großmutter hatte so ihre Eigenarten.

Kristin dachte genauso. „Zwei Wochen ohne Computer“, stöhnte sie abends im Bett am Tag vor der Abfahrt. „Bestimmt ist der alte Fernseher auch wieder kaputt.“

„Schlimmer sind noch Omas Ticks“, meinte Katharina. „Weißt du noch wie wir mit ihr beim Fußballspiel gewesen sind? SV Doofdorf gegen TSV Blödverein­– so haben sie zumindest gespielt– und Oma hat mitgeschrien, als wäre sie 18 Jahre alt. Total peinlich.“

„Und dann will sie uns immer überreden, Sport zu treiben. Für Mädchen wäre es gut, sie könnten Karate oder Jiu-Jitsu, um sich besser verteidigen zu können. Wenn ich daran denke, dass sie Mama früher zum Karatetraining geschickt hat, kann ich mir echt kaum vorstellen.“

„Da hatte Papa es besser, der sollte als Kind Handball spielen und tut es heute noch“. Katharina gähnte. „Komm, lass uns schlafen, ich bin total müde. Morgen geht’s dann los. Gute Nacht.“

„Gute Nacht“, erwiderte Kristin.

 

Die Eltern fuhren die beiden Schwestern am nächsten Tag mit dem Auto in das kleine Dorf Tönnsdorfs, wo ihre Oma wohnte. Es liegt etwa 50 Kilometer entfernt von Hamburg, wo sie zuhause waren. Kein Dorf, sondern ein Kaff sei dies Tönnsdorf, wie ihr Vater zu sagen pflegte. Das war wenig aufmunternd.

Der Abschied von den Eltern war kurz, die Mutter hatte schon ganz ihre bevorstehende kleine Operation vor Augen.

„Mach dir keine Sorgen“, flötete Oma ihr lächelnd zu. „Wir werden uns wunderbar amüsieren. Ich habe mich schon sehr auf die Kinder gefreut. Und mach dir auch nicht so viel Gedanken wegen der Operation, du weißt, ich bin auch operiert worden, das ist nicht so schlimm.“ Oma drückte ihre Tochter fest an sich.

Danach kam für die Zwillinge der Abschied von Papa und von Mama mit guten Wünschen und ein paar Tränen und dann waren sie mit Oma allein.

Oma zeigte ihnen zunächst ihr Zimmer und versprach ihnen dann ein großes Eis in ihrer Wohnküche.

Katharina und Kristin räumten ihre Sachen in den Schrank und in das Badezimmer. Sonst machte das immer ihre Mama, aber Oma legte viel Wert auf Selbständigkeit. „Ihr seid doch schon groß“, pflegte sie zu sagen.

Als sie in der Küche beim Eis essen saßen, wollte Oma mit ihnen Pläne schmieden.

„Sonntag ist Ostern, was wollten wir denn noch so alles machen bis dahin und am Fest selbst?“, wollte sie wissen.

Die beiden zogen nur die Schultern nach oben. „Keine Ahnung!“, sagten sie dann.

Oma seufzte. „Habt ihr schon zu Ostern gebastelt?“

„Ja, in der Schule, Osterkörbchen. Außerdem haben wir Papierostereier mit Stoff beklebt“, antwortete Kristin.

„Wir haben auch Osterhasen bemalt, Ostertexte geschrieben, und wir haben im Religionsunterricht von Jesu Kreuzigung und von seiner Auferstehung gesprochen“, ergänzte Katharina.

„Wir könnten ja für eure Mutter eine Karte mit Osterblumen basteln und diese mit einem aufmunternden Text direkt ins Krankenhaus schicken, da würde sie sich sicher freuen“, schlug die Großmutter vor.

„Klingt okay“, sagte Kristin.

„Dann fahren wir morgen ins Hallenbad nach Bad Schwartau und können auf dem Rückweg ins Bastelgeschäft gehen und die Sachen dazu besorgen.“

Schwimmen gehen wäre schön“, meinte Katharina und dachte: „Vielleicht werden die Tage ja doch nicht so schlimm.“

„Ich habe euch noch gar nicht gesagt, dass wir drei über die Ferien noch eine wichtige Aufgabe zu erfüllen haben.“ Omas Stimme klang geheimnisvoll und die Schwestern befürchteten das Schlimmste.

Die letzte „wichtige“ Aufgabe, die sie mit ihrer Großmutter bei einem ihrer Besuche erledigt hatten, war der Bau einer riesigen Rakete aus Pappmaché für ein Kinderfest. Das war viel Arbeit gewesen. Sie musste lange trocknen, wurde bemalt und dekoriert. Sie sah ganz toll aus und Katharina und Kristin waren stolz darauf. Doch am Ende des Festes wurde die schöne Rakete kaputt gemacht, weil Großmutti lauter Süßigkeiten für die Kinder hineingesteckt hatte. Die Rakete hing erst kopfüber an einem Baum. Dann wurde, verbunden mit einem Spiel, das Befestigungsseil gekappt. Die Rakete fiel mit einem kleinen Feuerwerk zu Boden und die Kinder stürzten sich auf die Süßigkeiten.

Katharina und Kristin hatten geweint, weil die Rakete kaputt war.

Da die Kinder schwiegen, riet die Oma: „Oh, ihr beiden, ich sehe es an euren Gesichtern, ihr denkt jetzt an die Papierrakete. Seid ihr da immer noch böse? Wir haben doch noch die Fotos davon und es kam auf den Spaß an.“

Die Zwillinge zogen den Mund zusammen. Da dachten sie ganz anders als ihre Oma.

„Keine Sorge, wir werden nichts bauen. Aber wir haben eine große Verantwortung!“ Großmutter stand auf und wies die Kinder mit einer Handbewegung an, ihr zu folgen.

Sie verließen das kleine Häuschen und gingen zu dem Nachbarhaus.

„Ich habe neue Nachbarn“, erklärte Großmutter. „Die möchten in Urlaub fahren.“

„Ja und?!“, fragte Kristin.

„Sie haben Tiere und suchen jemanden, der ihre Tiere versorgt“, erklärte die Großmutter.

„Was für Tiere?“, wollte Katharina wissen.

Löwen, Nashörner, Elefanten, Dinosaurier…“, begann die Großmutter und bei den Zwillingsschwestern weiteten sich die Augen.

„… sind es natürlich nicht“, setzte ihre Oma fort.

„Ich dachte schon, wie soll das werden?!“ Katharina atmete auf.

„Schlangen und große Spinnen…“, begann Oma von neuem. „… wären ja spannend, sind aber nicht so kuschlig.“

„Spannend?“ schrie Kristin auf. „Voll eklig sind die.“

Noch bevor die Großmutter sagen konnte, um welche Tiere es sich handelte, öffnete sich die Tür und eine junge Frau begrüßte sie freundlich.

„Hallo, Frau Hauser! Und ihr müsst Kristin und Katharina sein, habe schon viel von euch gehört. Ich bin Britta, die neue Nachbarin.“

„Guten Tag“, antworteten beide Schwestern höflich im Chor.

„Finde ich ja toll, dass ihr euch um Taps und Flummi kümmern wollt“, sagte Britta. „Sie sind noch jung und ziemlich wild.“

Und in diesem Moment kamen zwei kleinere goldbraune Hunde aus der Wohnung geschossen und sprangen an Kristin und Katharina hoch.

„Die sind ja süß“, rief Kristin.

„Ich wollte schon immer einen Hund haben“, entfuhr es Katharina. „Aber bei uns in der Wohnung in Hamburg ist das nicht möglich.“

„Bis Ostern sind wir ein paar Tage weg, wenn ihr solange auf die Hunde aufpassen würdet und mit ihnen spazieren geht und sie versorgt, wäre das toll. Eure Großmutter hat einen Schlüssel für unser Haus.“

„Kein Problem“, antworteten beide vergnügt.

„Zum Osterfeuer sind wir dann wieder da und dann könnt ihr ja nächste Woche euch zusammen mit Jesse und Jasper um Taps und Flummi kümmern“, erklärte Britta noch.

„Jasper und Jesse?“, fragte Kristin nach. „Wer ist das?“

„Wir sind’s!“, tönte es da aus dem Haus und zwei Jungen kamen die Treppe heruntergerannt. Sie waren – wie Kristin und Katharina auch – nicht voneinander zu unterscheiden.

„Das sind meine Zwillinge“, stellte Britta vor. Sie sind elf Jahre alt. „Geht mal zusammen los mit den Hunden und die beiden erklären euch gleich alles, was ihr bedenken müsst.“

Jasper und Jesse holten die Hundeleinen und dann machten sich die vier auf den Weg.

„Also, ihr müsst besonders aufpassen bei Katzen…“, begann Jasper zu erklären, als die vier die Dorfstraße hinab zogen.

Britta und Großmutter schauten ihnen lächelnd nach. „Das werden bestimmt schöne Ferien für die Kinder“, meinte die Großmutter, ohne zu wissen, dass Kristin und Katharina erst jetzt genauso dachten.

 

 

Anke Dittmann©

 

Wanderratten

 

Auf Beutezug sind sie von Land zu Land,

egal, was es gibt, sie haben angebissen

und, wo es lohnt, skrupellos an sich gerissen,

nicht anonym oder heimlich, sondern erkannt,

zugelassen oder gar offiziell ernannt.

 

Letzte Ressourcen und seltene Erden

Vermaisung und Gensoja pur,

das wollen sie am liebsten nur

oder Eigner des Landes werden,

und die Ratten kommen in Herden.

 

Landausverkauf auf andere Kosten,

derer, die nichts zu beißen haben

zwischen Dreck und Küchenschaben,

Menschenrechte verrosten,

wenn die Ratten kommen und kosten.

 

Zuschauer mit Nutzen sind wir,

egal, die Ratten beißen ja anderswo,

und zu ändern ist nichts – sowieso,

Hauptsache, sie achten unser Revier.

Was schert mich die Zeit nach mir?

 

Deshalb vermehren sich die Ratten,

die nicht mehr durch dunkle Kanäle huschen,

sondern auf edler Etage heiß duschen.

Sie verbreiten sich durch die faulen Satten,

die damit nicht besser sind als Ratten.

 

Anke Dittmann 17.4.2012 ©

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jaspers Entscheidung

 

„Was erzählst du wieder für verrückte Geschichten“, sagte Frau Mohn zu ihrem Sohn Jasper, „träumst den ganzen Tag.“

So ganz Unrecht hatte Jaspers Mutter nicht. Jasper war ein Junge voller Geschichten: Wenn andere draußen Fußball spielten, ging er in seiner Fantasie auf Abenteuersuche. Immer dabei war sein Freund Sam, sein treuer Hund, ein kluger Riesenschnauzer, der ihm stets zur Seite stand. „Auf Sam kann ich mich besser verlassen als auf manchen Menschen“, hatte Jasper schon oft gedacht, Sam gestreichelt und ihn mit Leckerlies verwöhnt.

Draußen im Garten auf dem Baum besaß Jasper ein Baumhaus. Wenn er oben im Baumhaus war, bewachte Sam die Stiege nach oben. Das Baumhaus hatte Jaspers Vater ihm noch gebaut, bevor er ausgezogen war. Seitdem war vieles anders geworden. Es gab weniger Streit im Haus, aber es war auch zu still geworden für Jaspers Geschmack, denn mit Papa zusammen hatte er viel unternommen, gebaut und gebastelt. An jedem zweiten Wochenende, wenn er zu Papa fuhr, war einfach zu wenig Zeit dafür.

Eines Tages hatte sein Vater eine Überraschung für ihn. „Weißt du was, Jasper“, begann er feierlich, „wir beide werden eine ganz tolle Reise machen.“

„Wohin?“ fragte Jasper sofort nach.

„Rate mal“, entgegnete sein Vater.

„Ins Deutsche Museum nach München“, riet Jasper, da wollte er schon immer mal hin.

„Weiter weg“, war der Tipp seines Vaters.

„Wir werden wandern in den Bergen, etwa in der Schweiz?“, meinte Jasper dann.

„Noch weiter weg, wir müssen fliegen“, war der nächste Tipp seines Vaters.

„Fliegen?!“, staunte Jasper. Er hatte noch nie in einem Flugzeug gesessen. „Fahren wir etwa nach Amerika?“

„Falsche Richtung“, antwortete sein Vater, „soll ich es verraten?“

Jasper nickte.

„Wir werden nach Ägypten fliegen“, sagte er betont langsam und bedeutungsvoll.

„Wahnsinn!“, rief Jasper aus, „fahren wir auch zu den Pyramiden?“

Sein Vater nickte.

„Ich werde einen echten Ägypter sehen.“ Jasper schrie fast, weil er so aufgeregt war.

Und im gleichen Atemzug sagte er: „Das erlaubt Mama nie.“

„Hat sie schon“, kam prompt die Antwort seines Vaters.

„Ich glaub es nicht.“ Jasper fiel seinem Vater um den Hals.

„Ist ja gut, mein Kind“, sagte er ganz ruhig, „wenn du mich jetzt erwürgst, können wir allerdings nicht mehr zusammen aufbrechen.“

Seitdem er von der Reise wusste, erzählte Jasper zu Hause die abenteuerlichsten Geschichten. „Stell dir vor, Mama,“ begann er, „wir werden den Nil sehen, den Fluss, in dem Mose im Körbchen ausgesetzt wurde.“ Jasper war katholisch und kannte die Mose-Geschichten noch aus seinem Kommunionsunterricht. „Denk mal an die ganzen alten biblischen Geschichten von den Sklaven und dem Auszug aus Ägypten. Da würde ich gern eine Zeitreise machen und die Plagen miterleben. Oder denk an den Bau der Pyramiden, an all die Schätze, die mit in die Grabkammern gelegt wurden. Vielleicht verirren wir uns während einer Führung in der Pyramide und entdecken eine Grabkammer, die noch niemand gefunden hat. Schade, dass ich Sam nicht mitnehmen darf, der hätte bestimmt noch etwas entdeckt.“

„Beruhige dich, Junge“, hatte Mama nur gesagt, „vielleicht hätte ich doch nicht zustimmen sollen.“

„Doch, doch!“, sagte Jasper sofort und behielt seine Abenteuerideen lieber für sich.

 

Noch waren es einige Wochen hin bis zur Reise. Sie wollten über Himmelfahrt und Pfingsten fliegen, da hatte Jasper bewegliche Ferientage und 10 Tage am Stück frei. Das war noch so lange hin und Jasper schlief oft schlecht vor Aufregung.

Eines Abends, als er wieder aufgewacht war und noch einmal aufstand, hörte er zufällig ein Telefonat mit, das seine Mutter mit seinem Vater führte.

„Du hast es ihm noch nicht gesagt, Wolfgang, stimmt`s?“ Ihre Stimme klang ernst. „Wenn du es Jasper nicht bald sagst, dann tue ich es. Er hat ein Recht darauf. Er ist fast 12 Jahre alt.“ – „Rede nicht so um den heißen Brei herum.“ – „Nein, ich rege mich nicht künstlich auf.“ – „Wenn du es Jasper am nächsten Wochenende nicht sagst, dann sage ich es ihm. Das ist mein letztes Wort.“

Jasper ging rasch zurück in sein Zimmer. Was war da los? Was sollte sein Vater ihm sagen? War die Reise abgesagt? An Schlaf war nicht mehr zu denken. Aber seine Mutter fragen wollte er auch nicht, dann würde sie vielleicht denken, er habe sie absichtlich belauscht. Er musste einfach abwarten bis zum Wochenende.

 

Endlich kam das ersehnte Wochenende. Jasper war voller Sorge. Sein Vater schaute verlegen, als er ihn abholte.

Kaum waren sie in seiner Wohnung, kochte sein Vater Kakao und holte Schokoladenkekse hervor. Da wusste Jasper, dass es sehr ernst war.

„Na, ist die Reise abgesagt?“ entfuhr es ihm.

„Nein, wie kommst du denn darauf?“, fragte sein Vater erstaunt.

„Der Kakao, die Schokolade…, ich bin doch nicht blöd, da stimmt was nicht.“ Jasper klang verzweifelt.

„Also, wir fahren auf jeden Fall zusammen nach Ägypten“, beruhigte ihn sein Vater.

„Was ist denn dann los?“, Jasper gab nicht nach.

„Ich werde dir in Ägypten etwas Besonderes zeigen“, sagte sein Vater, „wir werden in Kairo wohnen. Ich habe dort eine Wohnung gemietet. In Kairo gibt es eine deutsche Schule…“

„Ich muss da doch nicht zur Schule, ich habe doch Ferien“, unterbrach ihn Jasper.

„Nein, du sollst da nicht zur Schule, aber ich.“

Jaspers Vater war Lehrer für Deutsch, Kunst und evangelische Religion.

„Du wirst an der Schule in Kairo arbeiten?“ Jasper schüttelte den Kopf, „ab wann?“, wollte er genau wissen.

„Nach den Sommerferien geht es los. Es ist eine tolle Chance für mich. Ich wollte schon immer mal ins Ausland.“

„Wie lange willst du da arbeiten?“, fragte Jasper nach.

„Sechs Jahre.“

„Sechs Jahre?!“, schrie Jasper auf. „Dann bin ich groß, wenn du wiederkommst. Dann erkenne ich dich gar nicht mehr und du mich auch nicht. Warum gehst du so weit von uns weg? Warum hast du es nicht gleich gesagt? Warum hast du mich nicht gefragt?“ Jaspers Gedanken überschlugen sich und in seiner Wut schlug er die Kakaotasse um.

„Jasper, beruhige dich doch“, sagte sein Vater, ging in die Küche und holte ein Wischtuch. „Ich werde jedes Jahr nach Deutschland kommen und dich besuchen und du kannst mich besuchen. Vielleicht kannst du später auch ein Jahr einmal in Kairo bei mir wohnen und dort zur Schule gehen.“

Jasper sprang auf. „Einmal im Jahr…, vielleicht später mal…. Das ist zu wenig! Ich will nach Hause zu Mama.“

„Lass uns doch darüber reden.“ Jaspers Vater versuchte ruhig zu bleiben, „überlege doch, was wir dort alles zusammen erleben können. Denk an die Abenteuer, die auf dich warten, die Pyramiden, die Krokodile…“

Pinguine sind mir lieber!“, warf Jasper trotzig ein und blieb stehen, „ich will nach Hause. Und ich fahre dann lieber mit Mama an die Ostsee.“

„Versuch doch, mich zu verstehen“, bat sein Vater.

„Ich ruf Mama an, sie kann mich sofort abholen.“ Jasper blieb hart.

Sein Vater gab auf.

 

Wenig später kam Jaspers Mutter, um ihn abzuholen. Als Jasper schon im Auto saß, sprachen seine Eltern noch in der Tür miteinander. Sie würden sich wieder streiten, das spürte Jasper genau.

Kurz danach kam seine Mutter mit hochrotem Kopf zurück, setzte sich ins Auto und knallte die Tür zu. Schweigend fuhren sie nach Hause.

Als Jasper wieder in seinem Zimmer war, nahm er das Bild von seinem Vater, welches immer auf seinem Nachttisch stand, weg und legte es ganz nach hinten in die Schreibtischschublade. Sein Vater hatte ihn getäuscht, wie damals, als er ausgezogen war. Da hatte er ihm erst ein Meerschweinchen oder ein Kätzchen versprochen und dann gesagt, was los war.

Jasper ging aus dem Zimmer, rief Sam und ging mit ihm in den Garten. Lustlos sammelte er einige Steine und legte daraus Muster auf dem Rasen: Einen Kreis, ein Kreuz, und ganz in Gedanken eine Pyramide. Die zerstörte er gleich wieder. Eng umarmte er Sam, er verstand ihn, auch ohne Worte, und er würde nicht einfach weggehen nach Ägypten. Dann kletterte er in sein Baumhaus. Oben im Haus fand er eine alte kleine Schultafel mit Kreide, wie oft hatte sein Vater ihm hier wunderschöne Sachen gemalt. „Ich hasse meinen Vater“, schrieb er auf die Tafel. Dann kauerte er sich zusammen mit dem Kopf auf den Knien, bis zum Abendbrot.

Gleich nach dem Essen ging er ins Bett, konnte aber noch nicht schlafen.

Gegen Abend klingelte es an der Haustür. Es war sein Vater. Seine Mutter ließ ihn in die Wohnung, das tat sie sonst nie. Jasper stand auf und lauschte an der Tür.

„Wie geht es Jasper?“, fragte sein Vater besorgt.

„Er war fast den ganzen Nachmittag im Baumhaus“, antwortete seine Mutter.

„Darf ich in den Garten?“, fragte sein Vater.

„Okay“, sagte die Mutter. „Du willst auch ins Baumhaus, oder?“

Jasper hörte die Terrassentür. Was wollte sein Vater im Baumhaus? Es dauerte eine ganze Weile, bis er wieder Türgeräusche vernahm.

„Es tut mir leid”, sagte sein Vater zu seiner Mutter. „Ich habe das falsch begonnen. Es tut mir auch leid wegen dem Streit vorhin an der Tür. Ich hoffe, Jasper wird mich eines Tages verstehen.“

„Zum Teil sicher“, meinte seine Mutter, „aber ersetzen kann dich das nicht.“

Am nächsten Morgen stand Jasper früh auf und kletterte ins Baumhaus.

Auf der Tafel stand immer noch: „Ich hasse meinen Vater.“ Aber darunter stand: „Aber dein Vater hat dich trotzdem lieb.“ Dann fand er ein kleines Geschenk. Jasper packte es aus.

„Lieber Jasper“, stand auf der beiliegenden Karte, „ich gebe die Hoffnung auf eine Reise mit Dir nicht auf, weil es mir sehr wichtig ist, mit Dir zusammen zu sein. Anbei findest Du den Flugschein für die Reise nach Ägypten und ein Buch über das Land. Bitte entschuldige, dass ich Dir nicht zuerst von meiner Stelle erzählt habe, das war falsch. Es ist Deine Entscheidung, ob Du mit mir auf Reisen gehst, aber ich bitte Dich darum und es würde mich sehr freuen. Dein Papa.“

Jasper las die Karte zweimal und blätterte dann das Buch durch. Die Bilder darin waren wunderschön. Es wäre ein wunderbares Abenteuer und so viele Geschichten könnten daraus entstehen. Vorn fand er eine kleine Zeichnung, die ihn und seinen Vater am Flughafen zeigte. Sein Vater war immer noch ein Künstler. Jasper packte das Geschenk sorgfältig wieder ein, um nichts zu verlieren. Entschieden mitzufahren hatte er sich aber noch nicht. Oder doch?

 

Anke Dittmann ©

 

 

 

 

Weite gewinnen

 

Enge

Angst

Angsthase

Angsthasenhaken

Angsthasenhakenschlagen

Angsthasenhakenschlagen lernen

Angsthasenhakenschlagen gelernt haben

Geschafft

durchatmen

lächeln

gewinnen

frei sein

Ich sein

Weite

 

 

Anke Dittmann ©

Spontantheater–Das Methusalemprojekt

In einem Spontantheater werden zu Beginn die Rollen vergeben und anschließend den TeilnehmerInnen Zeit gegeben, sich vorzubereiten. Dann der Text gelesen und die TeilnehmerInnen agieren und sprechen, was der/die Erzählende vorträgt.

Bei dieser besonderen Form des Spontantheater schreibt vorher jede/r Teilnehmende einen Spruch/Zitat/Sprichwort auf, die dann in eine Schüssel in der Bühnenmitte gesammelt werden. Immer wenn in der Regieanweisung Zettel steht, nimmt die sprechende Person einen Zettel heraus und liest ihn laut vor.

 

Rollen:

Erzählerin

Therapeutin Fiona Fit

Paul Plappermaul, Moderator

Schwester Herta

Kameramann

Alfred

Herr Rehbock

Zuschauer (2)

Wachtmeister Großkotz

 

Wir sind heute zu Besuch im Altenheim „Methusalem“.

Es finden hier besondere Angebote für Senioren und Seniorinnen statt. Heute erleben Sie einen Bericht aus der Biographiewerkstatt.

Der Moderator Paul Plappermaul betritt dazu den Gruppenraum. Er hält ein Mikrophon in der Hand. Dicht gefolgt von seinem Kameramann, der immer auf der Suche nach der besten Einstellung ist.

Paul Plappermaul eingebildet und übertrieben:

Liebe Zuschauer, – ich begrüße sie sehr herzlich – zu unserer beliebten – und berühmten – und wichtigen Sendung: –  „Kein Schwein interessiert´s – aber dich!,“ – live aus dem Altenheim „Methusalem“. – Ich darf Ihnen zunächst – die Beschäftigungstherapeutin – Frau Fiona Fit vorstellen.

 

Der Kameramann umkreist Frau Fit.

Die Zuschauer gähnen.

 

Frau Fit säuselt: Herzlich willkommen – hier in unserer Einrichtung. – Sie wissen ja, – wir sind ein Pilotprojekt  – und eine Einrichtung – , die ihrer Zeit weit voraus ist.

 

P:P.: Nehmen Sie deshalb – schon so junge Menschen auf?

 

Frau Fit: Natürlich. – Wir kommen alle schneller – in das Rentenalter als gedacht. – Und Sie wissen ja. Unser Motto ist: (Zettel)

 

P.P. sichtlich beeindruckt.: Großartig. – Wirklich beeindruckend.

 

Frau Fit: Ich möchte ihnen nun – unseren ältesten Bewohner vorstellen.  (ruft laut) Alfred.- Alfred!

 

Alfred kommt mit Krücke um die Ecke in den Raum geschlurft. Er geht sehr gebückt, ganz tief gebückt, so als würde er fast umkippen.

 

Frau Fit: Alfred ist ein ganz spezieller – Bewohner unserer Einrichtung. – Manche denken, wenn sie ihn sehen- : (Zettel)

 

Das ging Paul Plappermaul auch gerade durch den Kopf.

Plötzlich kommt die überaus attraktive Pflegeschwester Herta in das Zimmer.

 

Zuschauer: Aah!  Wow!

 

Sie ist ganz aufgeregt. Ihre Haare sind zerzaust. Der Kameramann nimmt sie sofort ins Visier. Viel zu laut fragt sie:

 

Herta: Hat jemand Herrn Rehbock gesehen? – Er ist verschwunden.

 

Fiona Fit bleibt wie immer gelassen und sagt: Hier aus unserem Haus – kann er nicht entkommen. – Es ist alles abgeriegelt. – Wir sind immerhin ein Altenheim. – Also keine Aufregung.

 

Herta aber lässt sich nicht beruhigen: Aber er war am Medizinschrank. – Er hat Schwester Martha umgehauen – und die Aufputschmittel geschluckt.

 

Paul Plappermaul horcht auf. Das klingt nach einer guten Story.

PP: Das ist ja sehr interessant. – Aufruhr im Altenheim. – Und wir life dabei.

 

Zuschauer: Geil! – Supersendung!

 

Frau Fit wirkt nun nervöser und fragt: Die Aufputschmittel?

 

Herta antwortet nach Luft ringend: Genau – und dann ist er damit ab – Richtung Küche.  – Aber da ist er nicht mehr – und das Nudelholz fehlt.

 

Frau Fit, blasser geworden: Nur das Nudelholz?

 

Herta zögerlich: Naja, – das Nudelholz und – das Fleischbeil.

 

Frau Fit springt auf: Wir müssen sofort – alle Bewohner in Sicherheit bringen – und die Polizei rufen. – Herr Plappermaul, die Sendung wird verschoben. –

 

Frau Fit betätigt den Notrufknopf.

Doch dies Geschehen will sich Herr Plappermaul natürlich nicht entgehen lassen, ein aufgeputschter Alter mit einem Nudelholz und einem Fleischbeil. Das wird das Sendeereignis, seine Chance. Er strahlt über das ganze Gesicht.

 

Aber dann sind merkwürdige Geräusche auf dem Flur zu hören. Ein Grummeln wie von einem wilden Tier. Das muss Herr Rehbock sein. Er grummelt lauter.

 

Rehbock: Grummeln

Es klingt  unheimlich.

Paul Plappermaul denkt: (Zettel)

 

Und da ist auch schon das Nudelholz am Türrahmen des Zimmers zu sehen. Der Kameramann schwenkt sofort seine Kamera. Paul Plappermaul kann mal wieder den Mund nicht halten.

 

PP: Liebe Zuschauerinnen, liebe Zuschauer. – Sie haben im richtigen Moment eingeschaltet.  Wir haben einen Notfall im Altenheim.- Ein wahrer Krimi…

 

Zuschauer johlen. Johlen!

 

Fiona Fit ist wütend und schlägt Paul Plappermaul das Mikro aus der Hand.

Die Zuschauer reißt dies von den Sitzen:

Zuschauer: Bravo! Super! – Der Plapperpaul kriegt eins aufs Maul!

 

Aufgeregt und wirr im Kopf ruft Fiona Fit: (Zettel)

 

Das kann Paul Plappermaul nicht auf sich sitzen lassen. Er kontert: (Zettel)

 

Während sich die beiden nun alles Wichtige gesagt haben, hat sich Herr Rehbein Beil und Nudelholz schwingend in das Zimmer gewagt. Schwester Herta hat sich unter dem Tisch versteckt. Vor Angst klappern ihre Zähne.

 

Herta: Zähne klappern

 

Alfred, der die Situation nicht so ganz überblickt, will auch etwas sagen.

Da ihn Herr Rehbock an alte Zeiten erinnert, hebt er zum Gruß seine Krücke und ruft:

 Alfred: (Zettel)

 

Dieser Ausruf ist wie ein Signal für Herrn Rehbock. Er stürzt sich mit unerwarteter Schnelligkeit auf seine Therapeutin Fiona Fit. Beide gehen zu Boden. Dabei schlägt Frau Fit mit ihrem Kopf auf den Fuß von Alfred. Dieser jault auf.

 

Alfred: Jault.

Und im Reflex schlägt Alfred Herrn Rehbock mit der Krücke das Beil aus der Hand. Schwester Herta schnellt unter dem Tisch hervor und nimmt das Beil an sich. Herr Rehbock fuchtelt daraufhin wütend mit dem Nudelholz und ruft:

 

Rehbock: Zettel

 

Der Kameramann kann sich gar nicht so schnell hin- und her wenden, wie das Geschehen seinen Lauf nimmt. Er fuchtelt mit der Kamera nach links und rechts.

 

Die Zuschauer sind von dieser außergewöhnlichen Einstellung begeistert.

Zuschauer: Mehr! Mehr!

 

Herr Rehbock, die Bewegungen des Kameramanns  im Visier, haut ihm das Nudelholz auf den Kopf. Der Kameramann geht zu Boden. Ende der Bildübertragung.

 

Zuschauer: Buh!

 

Herr Rehbock schwenkt sein Nudelholz, als hätte er eine Schlacht gewonnen.

 

Alfred sichtlich beeindruckt ruft: Vorwärts Kameraden!

Und stürzt sich auf Paul Plappermaul. Doch noch bevor er ihn mit seiner Krücke zusammenschlagen kann, ist draußen das Polizeiauto zu hören.

 

Zuschauer: Tatü, tata. Tatü tata.

 

Alle fallen in eine Art Schockstarre.

 

Wenige Sekunden danach stürmt Wachtmeister Großkotz den Gruppenraum. Sofort durchblickt er die Situation und greift seine Trillerpfeife. Die hat er immer bei sich aus den Zeiten als Verkehrspolizist.  Er pfeift kräftig.

Daraufhin stehen alle stramm. Nur der Kameramann bleibt bewusstlos liegen.

 

Wachtmeister Großkotz ruft: Alle Mann auf ihre Zimmer!

 

Herr Rehbock und Alfred verlassen daraufhin wie mechanisch den Raum. Schwester Herta nimmt das Nudelholz und das Fleischbeil an sich und geht. Paul Plappermaul schüttelt sich und schaut verärgert auf die kaputte Kamera. Fiona Fit sieht das und tritt mit breiten Grinsen noch mal kräftig auf die Kamera drauf.

 

Herr Wachtmeister sagt daraufhin zu Frau Fit: Bingen Sie endlich Ruhe in ihren Laden hier.-  Ich kann schließlich nicht – jeden Tag kommen.

 

Daraufhin fragt Paul Plappermaul entsetzt: Passiert so was hier öfter?

 

Fiona Fit funkelt ihn giftig an: Wir sind eben ein Pilotprojekt – und arbeiten erlebnisorientiert, – da muss man manche Kinderkrankheit – in Kauf nehmen.

 

Paul Plappermaul fehlen das erste Mal in seinem Leben die Worte. In dem Moment wacht sein Kameramann auf. Er nutzt die Chance, auch einmal etwas sagen zu können. Egal was!

 

Kameramann:  (Zettel)

 

Dann ergreift er seine Kamera. Sie scheint unverwüstlich zu sein und er nimmt Paul Plappermaul groß ins Bild. Sie sind wieder auf Sendung.

Paul Plappermaul ist völlig fertig mit der Welt.

Resigniert und müde sagt er: Dies war meine letzte Sendung von: –  Kein Schwein interessiert´s – aber dich. – Ich gehe jetzt sofort in den Ruhestand. – Auf Nimmerwiedersehen.

 

Das ist eine gute Nachricht. Die Zuschauer applaudieren, trampeln und pfeifen.

 

Dann wendet sich Paul Plappermaul zu Fiona Fit und fragt:  Ist hier noch ein Platz frei?

 

Doch sie sagt nur: Frau Fit: Zettel

 

Ende der Sendung.

 

 

Anke Dittmann©

 

 

 

 

 

Der goldene Pokal

 

Als Philipp aufwachte, war er sich sicher, dass er in dieser Nacht den allerschönsten Traum seines Lebens geträumt hatte. Er hielt einen goldenen Pokal in der Hand, er allein. Doch als er erwachte, war alles wie vorher. Er lag allein im Gästebett bei Oma und Opa. Er hatte mit einem schlechten Zeugnis gerade so die Versetzung geschafft. Und statt ein Gewinner zu sein, war er aus der Fußballmannschaft geflogen, weil er sich nach einem verlorenen Spiel mit Niklas, einem Spieler der gegnerischen Mannschaft, doll geprügelt hatte und sich nicht entschuldigen wollte. „Ne, nicht bei dem“, dachte er noch, als die Bilder wieder in ihm auftauchten.

 

Gut, dass die Großeltern ihn eingeladen hatten, denn Zuhause hatte es auch ganz schön Krach gegeben wegen der Prügelei und der Schule. Und dann hat seine Schwester noch dazwischen gefunkt. Luisa, die alles besser kann, die reitet und Turniere gewinnt und die sich wie ein HipHop-Star fühlt, meinte noch, sich über ihn lustig machen zu müssen. Gut, er hätte nicht die Tasse nach ihr werfen sollen, aber es war wirklich unerträglich gewesen.

Immer wenn es hoch her ging Zuhause, luden die Großeltern ihn ein. Dann kam Opa mit dem alten Auto. Das war ein echter Freund. Er holte Philipp ab, stellte kein Fragen und ließ ihn erstmal in Ruhe. Oma war auch ganz in Ordnung, bloß ihr ständiges Klavier spielen, nervte ab und zu. Dafür konnte sie gut kochen und verwöhnte Philipp gern mit seinem Lieblingsessen: Hühnerfrikassee. Wenn Philipp sich nach einem Tag beruhigt hatte, weil Oma und Opa ihn in Ruhe ließen, dann gingen sie oft zu einem Handballspiel. Opa hatte früher einmal selbst Handball gespielt. Das konnte man sich heute gar nicht mehr vorstellen bei dem dicken Bauch. Aber wenn er Philipp etwas erklärte, merkte er, dass Opa wirklich Ahnung von Handball hatte.

Manchmal spielten sie auch zusammen Tischtennis. Dann war Opa richtig froh, weil Oma nicht so gut war im Tischtennis und das Spielen mit ihr deshalb nicht so viel Spaß machte. Nur Football mochte Opa nicht, weil er die Regeln nicht verstand, sonst konnte man ihn mit jeder Sportart begeistern.

Opa hatte viele Pokale im Wohnzimmer auf dem Schrank stehen. Philipp hatte nicht einen. Und der eine Pokal oben links auf dem Schrank, den mochte Philipp besonders. Auf einem Podest stand ein goldener Siegertyp, der die Arme nach oben riss, als hätte er die Welt gewonnen. Philipp stand mit hängenden Schultern davor und schaute nach oben.

„Du hast nicht so ein gutes Jahr gehabt, oder?“, meinte Opa, der plötzlich hinter ihm stand und ihm die Hand auf die Schulter legte.

Philipp nickte und ihm wurden die Augen nass, das war ihm richtig peinlich. Opa hatte es aber nicht gesehen und wenn doch, ließ er es sich nicht anmerken.

„Was wollen wir denn heute anstellen, damit dieser Tag gut wird?“, fragte er dann.

Philipp hatte keine Idee.

„Ich glaube, Oma könnte unsere Hilfe brauchen, sie will den Garten noch auf Vordermann bringen.“

„Tolle Aussichten“, dachte Philipp. „Gartenarbeit, das ist echt anstrengend und wenig lustig.“

Aber er sagte nichts und ging mit.

Oma war schon längst dabei und hatte das Unkraut bereits entfernt, wuchs ja sowieso kaum was, denn sie hatte ihren Garten tip-top in Ordnung. Philipp entdeckte dann eine große Holzplatte, eine merkwürdige grüne Tube und Opas Stichsäge. Auf die Holzplatte hatte Oma einen großen Menschen gemalt.

„Was soll das denn werden?“, fragte Philipp neugierig.

„Eine Vogelscheuche“, antwortete Oma. „Die Vögel fressen mir immer die Beeren weg.“

„So eine Vogelscheuche habe ich noch nie gesehen“, sagte Philipp.

„Deine Großmutter ist eben eine einmalige Frau.“ Opa lachte und zwinkerte Oma verliebt zu.

Dann erklärte er: „Wir beide werden jetzt den Menschen hier aussägen, dann geben wir die Farbe aus der Tube auf die Figur und wenn die Farbe getrocknet ist, malst du die Figur an.“

„Wieso, dann ist doch schon Farbe drauf?“, fragte Philipp erstaunt nach.

„Das Grüne hier ist ja keine normale Farbe“, erklärte Oma. „Das ist der Untergrund für eine Tafel. So können wir die Figur jeden Tag mit bunter Kreide anders anmalen. Ich kann auch mal draufschreiben, woran sich Opa erinnern soll. Zum Beispiel: Rasen mähen nicht vergessen!“

„Oma und Opa sind echt verrückt“, dachte Philipp.

Geduldig zeigte Opa Philipp den Umgang mit der Stichsäge. Das war gar nicht so einfach und Philipp musste erst an einigen alten Brettern üben. Aber dann ging es richtig los, ran an den Mann sozusagen. Opa war ein geschickter Handwerker, er hatte ja auch schon viel für Philipp gebastelt. Das Werkeln machte Spaß. Vorsichtig schälten sie mit der Säge Kopf und Arme aus dem Holz, dann den Körper und die Beine. Die Finger an der Hand und sogar die Zehen – darauf hatte Oma bestanden – hat Opa dann allein gemacht, dass war so fummelig.

Als sie fertig waren, lehnten sie die Figur gegen die Garagenwand und schauten sie von einiger Entfernung in Ruhe an.

„Cool“, entfuhr es Philipp. Denn das sah wirklich schräg aus, weil das linke Bein etwas zu kurz geworden war. Egal.

Opa reinigte die Holzplatte und dann wurde die Platte mit der Tafelfarbe beschichtet.

„Jetzt ist der ganz grün“, stellte Philipp fest.

„So, dass muss jetzt trocknen“, sagte Opa. „Also haben wir Zeit für Saft und Kuchen und eine Runde Tischtennis.“

Während sie sich auf den Gartenstühlen ausruhten, schaute Philipp immer wieder zu der Figur herüber. So hatte er sich die Gartenarbeit nicht vorgestellt. Er grinste Opa an und saß fröhlich aufrecht auf dem Stuhl.

Es dauerte noch lange, bis alles getrocknet war und er endlich mit der bunten Kreide loslegen konnte. Sie malten alle drei zusammen und lachten, weil die Augen schief wurden und Oma unbedingt karierte Hosen malen wollte und Philipp dem Mann eine HSV Raute ins Gesicht malte.

Als sie fertig waren, waren sie zufrieden.

„Abschreckend ist der aber nicht“, meinte Opa lachend.

„Wir binden noch Flatterband an die Arme“, erläuterte Oma. „Und wer weiß, vielleicht sind die Vögel ja Bayern Fans und verschwinden.“

 

Philipp genoss die Tage bei seinen Großeltern und wurde von Tag zu Tag fröhlicher. Noch manch anderes hat Opa ihm gezeigt und durch Omas gute Küche hat er ordentlich zugenommen, was ganz gut war, denn Philipp war spindeldürr, da er Zuhause kaum Appetit hatte.

Am letzten Abend setzte sich Opa abends an sein Bett.

„Morgen musst du nun schon wieder nach Hause“, sagte er traurig. Philipp schluckte.

„Was willst du denn jetzt für einen Sport machen?“, fragte er. Philipp zuckte mit den Schultern. „Ich glaube, Karate würde gut zu dir passen“, meinte Opa.

„Ich denk` mal drüber nach“, antwortete Philipp.

„Oma und ich haben noch ein Geschenk für dich“, sagte er dann geheimnisvoll und zog einen Gegenstand hinter seinem Rücken hervor. Er war in Stoff eingewickelt.

„Du hast es verdient“, sagte er und rief dann laut: „Lore, er packt es jetzt aus, komm schnell.“

Schon hörte Philipp Oma die Treppe hinauf rennen. Als sie ins Zimmer kam, musste sie erstmal Luft holen. Dann reichte Opa Philipp den Gegenstand.

Vorsichtig wickelte Philipp das Geschenk aus. Seine Augen weiteten sich. Es war ein goldener Pokal mit einer Spielerfigur, die wie ein Gewinner aussah. Unten auf dem Sockel stand sein Name: „für Philipp Junker“. Und weiter stand da: „den besten Enkel der Welt.“

Philipp strahlte und umarmte seine Großeltern, erst Opa und dann Oma. Den Pokal ließ er nicht aus der Hand. Selbst als die Großeltern bereits gegangen waren, hielt er ihn noch in Händen und schlief damit ein.

 

Als er wieder nach Hause kam, stellte er den Pokal auf seinen Schrank nach links.

„Das ist mein erster Pokal“, dachte er und nahm sich vor, wie Opa den ganzen Schrank voller Pokale zu haben. Das würde Opa bestimmt freuen.

Nach den Ferien begann er mit Karate und als er Niklas mal wieder traf, hat er sich zwar nicht entschuldigt, ihm aber immerhin die Hand gegeben. Deshalb durfte er dann doch im nächsten Jahr wieder mitspielen beim Fußball. Und immer, wenn es in der Schule schwierig war, stellte Philipp sich den Pokal von Oma und Opa auf den Schreibtisch und irgendwie ging es ihm dann besser.

 

 

Anke Dittmann ©

 

 

Dein Abenteuerland

 

Denk dir einmal, du bist verrückt

oder nur einfach tief beglückt,

bist auf ` nem weißen Geisterschiff,

steuerst nah am großen Riff

geschickt um alle Klippen.

 

Denk dir einmal, du bist verrückt

oder nur einfach tief beglückt,

im Zauberwald versteckt,

wo dich die Hexe nicht entdeckt,

willst oben auf den Ästen wippen.

 

Denk dir einmal, das wäre wahr

und du siehst alles sonnenklar,

Indianer stehen im Garten,

wo sie schon auf dich warten.

Du holst noch rasch dein Pferd.

 

Denk dir einmal, das wäre wahr

und du siehst alles sonnenklar,

wie sie die Burg angreifen

und schnell die Pfeile pfeifen.

Die Ritter zücken schon ihr Schwert.

  

Denk nicht, du bist verrückt,

denn du bist wirklich tief beglückt,

siehst du dies in dir sonnenklar

und deine Phantasie wird wahr,

dann steht dir alles offen.

 

Dann reist du in das fernste Land

und bist dort allen wohlbekannt.

Dann wandelst du durch alle Zeiten,

kannst jeden Pfad sicher beschreiten.

Das will ich für dich hoffen.

 

Mal bist du Held und mal geschlagen,

mal satt oder mit Loch im Magen,

mal groß, mal klein,

alles kann sein.

Du hast es in der Hand.

 

Lass dir die Bilder nur nicht nehmen.

Lass dich nicht in vier Wände zähmen.

Tanze nur weiter von Stern zu Stern

und habe die Geschichten gern,

die du in dir erkannt,

dein Abenteuerland.

 

 

Anke Dittmann 3.01.2011 ©

 

 

 

 

 

Wer soll die frohe Botschaft zuerst hören?

 

Gott gab dem Engel der Verkündigung den Auftrag, die Geburt seines Sohnes auf Erden bekannt zu machen, damit Josef und Maria im Stall Besuche bekommen können, der ihnen Zuspruch gibt. Doch wem er die Botschaft bringen sollte, sagte Gott nicht.

Der Verkündigungsengel überlegte: „Wenn ich es Herodes verkündige, ist das für Jesus der sichere Tod. Wenn ich es den reichen Händlern und Zöllnern sage, werden sie mir nicht zuhören, da sie mit ihren Geschäften beschäftigt sind. Wenn ich es den Alten sage, können sie sich doch nicht im Dunkeln auf den Weg machen. Wenn ich es den Kindern sage, wird ihnen keiner glauben, wenn sie davon erzählen. Wenn ich es den Frauen erzähle, glaubt ihnen auch niemand, das werden sie später Ostern noch erfahren. Wenn ich es den Pharisäern und Schriftgelehrten sage, werden sie erst den Hohen Rat einberufen, Sitzungen abhalten, in den Schriften forschen, Streitgespräche führen, bis sie sich viel zu spät aufmachen zum Stall. Wenn ich es den Kranken sage, erfahren sie Trost, aber sie können Josef und Maria nicht aufsuchen. Wer hat noch Muße, Gottes Wort zuzuhören und Respekt vor der Botschaft Gottes? Wer macht sich nachts auf in einen Stall, um ein Kind zu sehen? Und wer kommt viel herum und kann es überall erzählen?“

Noch während der Engel überlegte, stieß ihn eine Schäfchenwolke an. Da wusste der Engel, wer geeignet war für diese Botschaft.

„Ich bin bereit, auf die Erde zu gehen“, sagte der Engel zu Gott, „Ich bringe die Botschaft den Hirten, sie sind aufmerksam und fähig, Verantwortung zu tragen. Sie halten sich nicht selbst für wichtig, sondern werden zuhören, sich aufmachen und mit dem Herzen verstehen. Sie werden auch weitersagen, was sie erlebt haben, heute und morgen und überall, wohin sie weiterziehen.“

Gott lächelte. „Eine gute Wahl für meinen Sohn, der den Menschen zum guten Hirten wird“, sagte er.

Und siehe, Gottes Engel trat zu den Hirten und die Klarheit Gottes leuchtete um sie und sie fürchteten sich sehr. Doch der Engel sprach zu ihnen: „Fürchtet euch nicht. Siehe ich verkündige euch eine große Freude, die allem Volk widerfahren wird. Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, Gottes Sohn.“

Die Hirten hörten hin und suchten eilend den neuen Hirten der Menschen auf. Und sie erzählten weiter, was der Engel ihnen verkündigt hatte, Josef und Maria und jedem, den sie trafen.

 

Ich frage mich, wäre Christus heute geboren, wem hätte es der Engel wohl verkündigt?

 

Anke Dittmann ©

Bartimäus

 

Blinder Bartimäus einsam am Straßenrand

Wie hast du den Jesus nur so schnell erkannt?

Deine guten Ohren haben ihn wohl gehört

Und mit deinem ganzen Mut hast du dann gestört,

mit voller Stimme aufgeschrien,

als alles schon verloren schien,

weil andere dich zur Ruhe zwangen,

doch Jesus ist nicht fortgegangen,

denn er hat dich wohl gehört,

und fühlte sich gar nicht gestört,

sondern gern gebraucht von dir,

sagte: Schickt Bartimäus zu mir!

Als du dann bei ihm angekommen,

hat er die Augenbinde abgenommen,

und deinen größten Wunsch erfüllt,

die Sehnsucht nach Augenlicht gestillt.

Weil Jesus deinen Glauben sah,

siehst du jetzt wieder alles klar.

Von da an bist du mit ihm gezogen,

bliebst ihm aus Dankbarkeit gewogen.

Diese Begegnung tat dir wirklich gut,

und uns macht sie bis heute Mut.

Nichts muss so bleiben, wie es war,

traue ich dem, was durch Jesus einst geschah.

 

 

 

 

Anke Dittmann ©

 

Eine Reise für einen Cappuccino

Eine Geschichte für meine Tochter zum Geburtstag. Die fettgedruckten Wörter hat sie vorher genannt.

 

Martin war mit seinem Werbeplakat zufrieden. Das war einmal was völlig Neues für ihn. Er war gespannt darauf, wie das Team in der Werbeagentur darauf reagieren würde. Sorgsam legte er den Entwurf in seine Präsentationsmappe und ging in die Besprechung.

„Sie wissen alle“, führte seine Chefin darin aus, „dass wir die große Chance des Kaffeeriesen Josefs Bohne bekommen haben für die neue Cappuccino-Werbung, eine einmalige Chance. Es geht darum, vor allem Männer neu als Kunden zu gewinnen. Ich bin gespannt auf Ihre Ideen und Entwürfe.“

Martins jüngere Kollegen nannten ihre Ideen, manche hatten auch schon Skizzen dabei, manche waren mit ihren Entwürfen noch nicht so weit. Einige hatten Fotos und Fotomontagen auf den Tisch gelegt. Vieles wurde gleich verworfen, es war nicht überzeugend genug.

„Martin, was meinst du?“, fragte die Chefin, die seine Erfahrung schätzte.

„Nun“, begann Martin feierlich, „Ich habe an den kalten Winter gedacht, wo jeder sich über ein warmes Getränk freut.“ Mehr sagte er nicht, sondern zeigte seinen Entwurf aus der Präsentationsmappe.

Die Chefin staunte. Auf dem Bild war ein Drache zu sehen, der leger an einem Cafétisch saß und Cappuccino trank. Er setzte gerade die Tasse ab und aus seinem Drachenmaul kam genüsslich eine Stichflamme, die bei der Frau, die gegenüber am Tisch saß, die Winterkleidung aufblätterte bis zum Sommer-T-Shirt. In einer Sprechblase für den Drachen stand: „JOBO hält die Flamme in mir wach!“ Und drunter stand: „JOBO-Cappuccino sorgt stets für Genuss.“

Martins Chefin war begeistert und das Team auch. Noch in der Besprechung feilten sie am Bild, gaben der Frau mehr Sexappeal und dem Drachen eine deutlich männlichere Note. Auch Martin war damit einverstanden. Er überarbeitete seinen Entwurf daraufhin und gab ihn in die Produktionsabteilung. Der Vorstand von Josefs Bohne war zufrieden und machte den Vertrag und ab November hingen überall im Land die Plakate in Geschäften, auf Litfaßsäulen, an großen Plakatwänden.

 

Martin selbst war durch diese Werbung ein begeisterter Cappuccinotrinker geworden. „Für den Drachen in mir“, sagte er oft in sich hinein, wenn er die heiße Tasse an den Mund führte. Im Büro schielte er dann zu Melissa hinüber, seine neue, junge Kollegin aus dem Verwaltungsbereich. Gern hätte er sie näher kennen gelernt. Doch ihm fehlte dafür eine originelle Idee, um auf sich aufmerksam zu machen.

Aber Melissa war schon auf ihn aufmerksam geworden. Martin faszinierte sie mit seinen Ideen, seiner Art, seiner Höflichkeit, seinem Charme. Außerdem sah er sehr gut aus.

„Woher nehmen Sie immer all die Ideen?“, fragte sie ihn eines Tages, als er sich im Mitarbeiterraum Cappuccino kochte. „Von überall“, antwortete er, „ich schaue mich aufmerksam um, frage nach, lasse meiner Fantasie freien Lauf. Mal was Verrücktes tun, tut auch gut. Hier siezt sich aber keiner im Betrieb, ich bin Martin.“ Er reichte ihr die Hand. „Melissa“, antwortete sie und schlug ein.

„Er ist bestimmt 15 Jahre älter als ich“, dachte Melissa, „und wann habe ich das letzte Mal etwas Verrücktes getan?“ Sie konnte sich nicht erinnern.

„Kann man das lernen, diesen Blick für Ideen?“, fragte sie ihn.

Martin sah seine Chance, Melissa für sich zu gewinnen. „Lass dich einfach mal überraschen“, sagte er geheimnisvoll und ging.

 

Zwei Wochen später war Valentinstag. Eine Woche davor fand Melissa in ihrem Briefkasten ein Pergament, das alt wirkte. Es war aufgerollt und versiegelt, wie ein Brief aus dem Mittelalter und mit einer roten Schleife umgeben. Das Siegel sah aus wie ein Familienwappen. Melissa war neugierig und öffnete sofort.

„Herzliche Einladung zum Valentinstag. Du wolltest den Blick in die Welt der Fantasie wagen, es ist soweit. Komme dazu am 14. Februar um 12 Uhr zur alten Burg. Hochachtungsvoll, Martin.“

Melissa lächelte. Was würde das werden?

Der Tag konnte nicht schnell genug kommen. Melissa war fest entschlossen, sich auf dieses Abenteuer einzulassen.

Oben an der alten Burg, die als Ruine über der Stadt thronte, traf sie Martin schon gleich am ehemaligen Burggraben. Er hielt eine Augenbinde in der Hand und einen MP3-Player.

„Schön, dass du da bist“, begrüßte er sie, „herzlich willkommen zu einer Fantasiereise.“

„Ich bin mal gespannt“, sagte sie.

„Ich habe etwas für dich vorbereitet, dazu musst du jetzt diese Augenbinde tragen und dir diese Kopfhörer in die Ohren stecken. Keine Sorge, es ist nur zum Spaß.“

„Kann ich dir denn trauen?“, fragte sie. Martin nickte. „Selbstverständlich.“

Melissa nahm die Augenbinde und band sie sich um den Kopf. Dann stöpselte sie sich die kleinen Lautsprecher in die Ohren.

„Bitte ziehe noch deine Schuhe aus und trage dann diese Flipflops“, bat Martin. „Flipflops? In dieser Jahreszeit?“ Melissa war skeptisch.

„Wir machen eine Zeitreise, damals hatten die ärmeren Menschen auch keine ordentlichen Schuhe. Es ist ja auch nur für einen Moment.“

„Okay, aber nur kurz“, sagte sie.

„Vertrau mir“, beschwichtigte Martin sie.

Melisse konnte nun nichts mehr sehen, zog aber Schuhe und Socken aus. Martin nahm sie ihr ab und gab ihr die Flipflops. Es wurde verdammt kalt an den Füßen. Was würde das werden? So etwas Verrücktes hatte sie lange nicht gemacht.

Martin nahm ihre Hand, es war ein beruhigendes Gefühl, und ließ sie die Burgmauern erspüren. Die Steine waren uneben und rau, als hätten sie viel erleiden müssen. Er führte sie ein Stück und sagte dann: „Ich werde jetzt den MP3-Player anmachen, bitte sprich dann nicht mehr, sondern folge dem, was du hörst und meiner Führung.“

Spannende Musik wie im Film war nun zu hören und mit ihren kalten Füßen stolperte sie dazu der Führung von Martin hinterher. Sie ertastete mit seiner Hilfe ein Holztor und hörte, wie es sich knarrend öffnete. Sie durchschritten es und kamen in eine belebte Straße, sie hörte Händler rufen, Hühner aufgeregt gackern, Pferdegetrappel. Fanfaren ließen Bedeutendes erahnen und als jemand „Zur Seite für den König“ rief, riss Martin Melissa an eine Mauer. Sie hörte rasches Atmen und mehrere Pferde und Radgeräusche. Eine Kutsche war wohl vorübergefahren. „Ob jetzt der Krieg beginnt?“, hörte sie ein kleines Kind fragen. „Möge der König dies verhindern“, antwortete eine sanfte Frauenstimme.

Melissa ließ sich ein auf diese neue Wahrnehmung und hatte das Gefühl, sie könnte nicht nur hören, sondern auch riechen, was um sie geschah. Martin hatte allerdings einige Düfte dabei in verschiedenen kleinen Fläschchen und hielt sie ihr mit in die Nähe der Nase.

Sie gingen vorsichtig weiter. Die Steine auf dem Weg machten jeden Schritt beschwerlich. Melissa spürte das Muster der Pflastersteine unter ihren Füßen, jeder Stein schien ein eigenes Gesicht zu haben.

Jetzt kamen sie bei einem Handwerker vorbei, es waren Schmiedegeräusche. Melissa kannte diese aus dem Freilichtmuseum, auch roch es verkohlt. Martin führte sie in das Haus und ließ sie spüren, ob die Klinge gut war. Melissa schrie kurz auf, als sie die kalte scharfe Klinge berührte. Sie hörte ein Gespräch zwischen Martin und dem Schmied. Martin kaufte das Schwert, nachdem er es in einem kurzen Kampf mit dem Schmiedemeister ausprobiert hatte.

„Jetzt sind wir geschützter, falls uns jemand überfällt“, sagte Martins Stimme ihr ins Ohr.

Und schon hörte sie, wie ihnen jemand in den Weg sprang, der hastig atmete.

„Verräter!“, brüllte dieser jemand und zog ein Schwert. Martin stieß Melissa ein Stück zur Seite, als müsse er in einen Kampf springen. „Martin, Vorsicht!“, rief sie unwillkürlich. Martin lächelte.

„Nicht ich bin der Verräter, sondern du bist der verräterische Geist“, hörte sie ihn rufen und schon war ein Gefecht im Gang. Stöhnen, das helle Aufeinandertreffen der Klingen und Rufe, dass Melissa zur Sicherheit bleiben sollte, wo sie ist, waren zu hören. Melissa machte sich Sorgen um Martin. Doch er ging als Sieger hervor, der vermeintliche Gegner wurde in die Flucht geschlagen. Martin aber wollte sie nun in Sicherheit bringen, weil der Verräter bestimmt mit Verstärkung zurückkehren würde. Wieder tasteten sie sich eine Wand entlang und eine kleine Tür öffnete sich quietschend. Sie gingen hindurch. Jetzt wurde es wärmer an den Füßen und der Boden wurde ebener, doch es roch nach Stroh und Schwein. Melissa rümpfte die Nase. Martin lächelte. Da war das Grunzen auch schon zu hören. Martin setzte Melissa ins Stroh und wärmte ihre Füße mit seinem Mantel. Er packte eine Flasche Wein aus und frisches Brot. Er gab ihr die Flasche in die Hand. Sie trank, dann aß sie ein Stück. „Wir müssen weiter“, sagte die Stimme im Ohr, seine Stimme, auf die sie im Dunkel völlig angewiesen war.

Doch andererseits war es gar nicht mehr dunkel um sie, denn sie hatte die belebte Straße mit all den Händlern gesehen, die Schmiede, den Kampf. Sie sah den Stall, in dem sie jetzt im Stroh saß.

Melissa lächelte. Sie hatte verstanden.

Im Ohr waren jetzt ein Uhu zu hören und eine unheimlich klingende Turmuhr, es war die Zeitansage, wieder zu gehen, heraus aus dieser Reise, zurück in die Gegenwart. Martin zog seinen Mantel wieder an und half Melissa auf. Sie fühlte sich sicher an seiner Hand, das spürte auch er. Nochmals ging es durch die quietschende Tür, dann den unebenen Weg in der Kälte zurück zum Burgtor.

Martin war ein Perfektionist. Er hatte auch jetzt bei den Geräuschen die Details nicht vergessen. Gesprächsfetzen, Tiergetrappel, Geräusche von Marktständen. Als sie nach dem Tor wieder die Wand ertasteten, waren Melissa die Steine vertrauter geworden. Am Ausgangspunkt schaltete Martin das Gerät ab, nahm Melissa die Augenbinde ab und reichte ihr Socken und Schuhe zurück. Doch sie hatte noch gar keine Lust, die Augen zu öffnen. Noch mit geschlossenen Augensagte sie leise; „Danke. Das war perfekt, mein schönstes Valentinserlebnis.“

Dann gab sie ihm einen Kuss auf die Wange.

„Wollen wir noch einmal so in die Burg?“, fragte er.

„Nein“, sagte sie, „ich will sie heute so in mir behalten, wie ich sie mit verschlossenen Augen gesehen habe.“

Martin packte die Flipflops wieder ein. „Ich gebe zu, Sandalen wären echter gewesen, aber ich habe keine für so kleine Füße wie deine“ sagte er und grinste.

„Und jetzt?“

„Jetzt lade ich dich zum Cappuccino ein – bei mir Zuhause, mir ist kalt“, antwortete Melissa und hakte sich bei ihm ein.

„Eine Sache habe ich übrigens vermisst in der Burg“, sagte sie dann.

„Was denn?“ fragte Martin nach.

„Einen Drachen, wie den auf deinem JOBO-Plakat.“

„Na, den hast du doch jetzt am Arm“, erwiderte Martin und sah dem Rest des Tages genüsslich entgegen.

 

Anke Dittmann ©

Unsere Zeit in Gottes Händen

Unsere Zeit steht in Gottes Händen.

Das birgt Fragezeichen,

Unsicherheit,

denn sie liegt nicht in unseren Händen.

 

Zeit ist doch etwas Bewegliches.

Wie kann sie stehen?

Stoppt Gott diese Dimension?

Unvorstellbar, dass es nicht vorangeht.

 

Gut aber, dass sie in etwas steht,

nicht fällt, nicht kippt, nicht zerrinnt.

Geborgen ist sie,

aber ohne neuen Morgen.

 

Noch vergeht meine Zeit.

Ich freue mich auf den neuen Morgen,

bin gespannt auf Entwicklungen,

will meine Zeit füllen.

 

Doch bleibt die Frage:

Wann lässt Gott meine Zeit stehen bleiben?

Und was davon wird Bestand haben in ihm?

Alles? Jeder Tag, jeder Gedanke? Wozu?

 

Unsere Zeit steht in Gottes Händen.

Das birgt wahrlich Fragezeichen.

Und doch tut es mir gut, zu wissen,

dass nicht alles verloren sein wird. Warum?

 

Anke Dittmann, 06.01.2009 ©

Alicias Nussbaum

 

Im Vorgarten meiner Großeltern wächst ein großer Walnussbaum. Darunter stehen zwei Bänke und ein Tisch, die alle einladen zum Verweilen, denn der Vorgarten steht jedem offen. Es ist ein heiliger Baum, sagt meine Großmutter. Aber nicht deshalb, weil Großvater sie darunter zum ersten Mal geküsst hat, sondern weil er eine besondere Geschichte hat. Natürlich hat Großmutter mir diese Geschichte erzählt und ich sage sie euch gern weiter:

 

Es war einmal, als die Menschen Gold am oberen Fluss gefunden hatten, da machten sich aus unserem Dorf auch Greg und Margret auf, um ihr Glück zu suchen. Mit ihnen zog ihre Tochter Alicia. Alle kannten sie, denn sie hatte schönes, langes, rotbraunes Haar.

Der Weg zum Goldfluss war lang, beschwerlich und gefahrvoll und in der Gier wurden die Menschen heimtückisch und kalt. So erging es auch Greg und Margret.

Sie lernten, nur noch an sich zu denken und verlernten Vertrauen.

Am Fluss angekommen fanden sie keinen Ort, wo sie menschenwürdig leben konnten, sie hausten abseits der Städte, die voller Gewalt waren. Dort an einem Nebenarm des Goldflusses suchten sie ihr Goldglück. Umsonst.

Sie hungerten und Alicia weinte oft und Margret weinte, wenn Alicia endlich schlief.

Greg weinte allein im Wald, denn für Männer gehörte es sich nicht, Tränen zu zeigen.

 

Im Wald begegnete er dabei eines Nachts einem Eichhörnchen mit einem goldenen Schwanz. Greg wollte wissen, was es damit auf sich hatte und folgte ihm. Da beobachtete er, wie das kleine Tier Goldnüsse aus einem Erdloch grub. Er hielt sich verborgen und wartete, bis das Tier fort war, dann ging er genau dorthin und grub. Doch, wo es eben noch glänzte, fand er nur braune Nüsse. Und das Eichhörnchen war fort. Greg ging in der nächsten Nacht wieder in den Wald, sah das Eichhörnchen, folgte ihm zu einem anderen Platz und sah die Goldnüsse im Erdloch, wo das Tier grub. Diesmal platzte er aus dem Versteck, verscheuchte das Eichhörnchen und griff zu, doch da waren die Goldnüsse braun wie alle Nüsse. Greg fluchte und entschloss sich, das Eichhörnchen zu fangen. So nahm er in der folgenden Nacht eine Falle mit in den Wald. Er war ein geschickter Jäger und fing das ahnungslose Tier.

Margret und Alicia waren erschüttert, als sie das kleine Tier in dem Drahtkäfig sahen. Nie war Greg so feindlich gegenüber den Tieren gewesen. Er erzählte ihnen die Geschichte mit den Goldnüssen, aber sie glaubten ihm nicht, denn der Goldschwanz des Eichhörnchens war seit der Gefangennahme verblasst und nun rotbraun wie bei allen anderen. Greg wurde mürrisch und Alicia begann, ihren Vater zu fürchten.

Da ihr das Eichhörnchen Leid tat, ging sie in den Wald und suchte Nüsse. Sie verbarg sie unter ihrem Kleid. Als der Vater zum Goldwaschen war, gab sie dem Tierchen eine Nuss. Es aber freizulassen, traute sie sich nicht. Das Eichhörnchen aß die Nuss und Alicia freute sich darüber. Von nun an pflegte sie das Eichhörnchen, sammelte jeden Tag neue Nüsse und war froh darüber, dem kleinen Waldbewohner eine Freude machen zu können. Sie hörte auf zu weinen, während es um den Vater immer düsterer wurde.

Eines Abends, als er wieder kaum Gold gefunden hatte, entschied er in seiner Enttäuschung, das Eichhörnchen zu töten. Da fand Alicia endlich genug Mut, kam ihm zuvor und ließ ihren kleinen Freund frei. Das Eichhörnchen sprang aus dem Käfig und floh in den Wald. Greg fluchte und beschimpfte seine Tochter, fast hätte er sie geschlagen, die Hand hatte er schon gegen sie erhoben, doch auch Alicia entwischte ihm und flüchtete vor ihm in den Wald. Margret weinte, Alicia weinte, während sie in den Wald rann, der Vater tobte.

Als es Nacht wurde, suchte Alicia im Wald Schutz auf einem Baum. Kaum war sie auf einem großen Ast zur Ruhe gekommen, da kam das Eichhörnchen zu ihr. Es brachte ihr eine Nuss. Alicia dankte dem Eichhörnchen, das dann verschwand.

Greg aber war inzwischen bewusst geworden, was er getan hatte. Und zum ersten Mal, seit sie aufgebrochen waren, dachte er nicht mehr an Gold, sondern an seine Tochter, die allein im Wald war. Er hatte sie vertrieben. Mehr als alles in der Welt wollte er sie wiederfinden.

Er ging in den Wald und rief seine Tochter, aber sie antwortete nicht. Da sah er das Eichhörnchen mit dem goldenen Schwanz. Er schreckte auf. Als das Tier davon sprang, lief er hinterher. Das Eichhörnchen führte ihn zum Baum, wo Alicia saß. Er sah nach oben und im Mondlicht erschienen ihm die rotbraunen Haare seiner Tochter wie Gold zu glänzen. Da erkannte er, wie seine Goldgier ihn geblendet hatte. Und dann sah er seine Tochter so wie früher an, voll Vertrauen und mit Herz. Als er ihren Namen hinauf rief, erschrak sie zunächst und verbarg schnell die Nuss in ihrer Tasche. Greg entschuldigte sich bei Alicia. Er schämte sich, so ein schlechter Vater zu sein, und versprach ihr, den Goldfluss wieder zu verlassen. Alicia war sich unsicher, ob sie ihm vertrauen könnte, gab ihm aber eine Chance.

Gemeinsam gingen sie zu Margret zurück und gleich am nächsten Morgen bereiteten sie ihren Aufbruch vor.

Auf dem Rückweg begegneten sie immer noch vielen Menschen, die der Goldrausch gefangen hatte, als zöge mit ihnen ein kalter Wind vorbei. Die Drei blieben unbeirrt auch ihrem Weg zurück und wussten sie waren frei. Die Nuss aber hütete Alicia noch heimlich bei sich.

Erst, als sie an ihrem Heimatort waren und sich dort wieder ein Zuhause aufgebaut hatten, erzählte sie ihren Eltern von der Begegnung auf dem Baum. Gemeinsam pflanzten sie die Nuss in ihren Garten und pflegten den daraus wachsenden Baum wie einen Freund.

 

Großmutter liebt diese Geschichte und ich liebe sie auch, die Geschichte und die Großmutter.

Viele Leute hat Alicias Baum seitdem erfreut, oft haben sich Menschen unter ihm getroffen zum Gespräch, zum Fest, zum Spiel. Seine Nüsse schmecken gut, wir haben sie schon mit vielen geteilt. Dieser Baum ist mehr als Gold wert, sagt Großmutter. Er ist unser Schatz, eine Kostbarkeit, die man nur mit dem Herzen erkennt.

 

 

Anke Dittmann ©

ein kind

ein blümelein

so kleine

ein ros

verblüffend gewachsen

aus tot geglaubtem

ein glimmernder docht

aus dem feuer neu entflammt wird

ein licht

im dunkel

 

das ist der kern

von freude

von hoffnung

von wärme

von weihnachten

 

gottes kern uns offenbart

und kleinen

tot geglaubten

glimmenden

im dunkel

 

gottes kern

in ihm ein kind

 

 

Anke Dittmann, 18.12.2008 ©

Ich bin gern Drachenreiter

 

Die hervorgehobenen Wörter haben mir Schülerinnen und Schüler einer dritten Klasse genannt, aus denen dieses Gedicht entstand: 

Im Traum bin ich gern Drachenreiter

und fliege dahin, wo ich will.

Der Drache ist mein Freund, Begleiter,

stimmt mich bei Liebeskummer heiter,

und schweigt beim Angeln mit mir still.

 

Wir reisen zu den Pyramiden,

überfliegen manches Kernkraftwerk,

und wenn wir wieder Pläne schmieden,

dann ohne Uhr, auch ganz in Frieden,

und beobachten alles mit Augenmerk.

 

Im Albtraum dagegen muss ich marschieren

für Volk, Nation und Vaterland,

soll lügen, andere deklassieren

und Patriotismus deklarieren,

als gute Hilfe Hand in Hand.

 

Dann will ich fliehen in andere Welten,

wo keine Erinnerung mich quält,

wo gute Freunde etwas gelten,

wo Eltern Kindern Gutes erzählten

und nicht nur Pflicht im Alltag zählt.

 

Im Liebestraum aber, da weiß ich wieder,

was der Motor meines Herzens ist:

Fußball spielen – und die Vereinsmitglieder

singen im Stadion unsere Fußballlieder,

Fanstimmung, die man nie vergisst.

 

Dann bin ich der beste Fußballer der Welt,

Tischkickerzeiten liegen weit zurück,

mit geht aber nicht nur ums Geld,

ich denk auch an die, denen es fehlt,

und teile mit anderen mein Glück.

 

Doch wenn wir nur durch das Leben rasen,

und kaum Raum bleibt für Phantasie,

wenn wir mit unseren Ressourcen aasen,

nur ackern in allen Lebensphasen

dann schaffen wir unsere Lebenskür nie.

 

Dann werden nur die Albträume wahr,

es verkümmert, was uns am Herzen liegt,

erst am Ende unserer Zeit erkennen wir klar,

was im Leben eigentlich wichtig war,

doch dann hat das Böse schon gesiegt.

 

Die Drachen sind mit dem Bogen erschossen,

die Fußballerträume ausgeträumt,

die Stimmung wird dunkler und verdrossen, wir sind mehr und mehr verschlossen,

und haben unser Leben versäumt.

 

Damit genau das nicht geschieht,

seid doch ein Stück gescheiter,

denn wenn man die Gefahr schon sieht,

und daraus seine Schlüsse zieht,

dann träumt man einfach weiter,

ich bin gern Drachenreiter.

 

 

Anke Dittmann ©

Gedichte schreiben – Geschichten schreiben

Neue Seite – neues Glück

Worte vorwärts, mal zurück

mal geschüttelt – mal gerührt

mal im Herzen aufgespürt

mal vermischt mit Altbekanntem

oder an der Zunge frisch Verbranntem

manchmal gesucht und abgerungen

mal laut und froh herbeigesungen

oft verschüttet und verloren

oder als Botschaft auserkoren

mal zum Trost, mal zum Vergnügen

oder auch einmal zum Rügen

meist nur lesbar – nicht zu hören

mal bescheiden, mal zum Stören.

Worte, die mich mit dir verbinden

sind auf dem Papier zu finden

sind gewachsen zum Gedichte (zur Geschichte)

Buchstaben, die ich anrichte

wie eine Speise, köstlich fein.

sie laden dich zum Lesen ein.

Anke Dittmann 22.12.2008©

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