In einem Spontantheater werden zu Beginn die Rollen vergeben, anschließend wird den Teilnehmern Zeit gegeben, sich vorzubereiten. Dann wird der Text gelesen und die Teilnehmernnen agieren und sprechen, was die Erzählerin vorträgt. Die Spielleiterin verteilt die Rollen, wie sie will.
Bei dieser besonderen Form des Spontantheaters schreibt vorher jeder Teilnehmer einen Spruch/Zitat/Sprichwort auf, die dann in eine Schüssel in der Bühnenmitte gesammelt werden. Immer wenn in der Regieanweisung Zettel steht, nimmt die sprechende Person einen Zettel heraus und liest ihn laut vor.
Amsterdam
Vorhang (2 Personen), Mond, Peter, Daniel, Maria, Johann, dunkle Gestalt, schwarzer Mann, 2 Gäste, 3 Musiker (einer davon Sänger, ein Triangelspieler), 1 Polizist, Publikum, Kellnerin.
Kulisse: Kneipe mit ein paar Tischen, Bühne für Musiker, Tresen, Straße, erhöhter Platz für den Mond.
Erzählerin: Der Vorhang geht auf. Wir befinden uns mitten in Amsterdam, in einer dunklen Ecke der Stadt, die für Oberstufenschüler aus Deutschland eigentlich verboten ist.
Der Mond steht am Himmel und lächelt und lächelt und lächelt, weil er auch mal so strahlen will wie die Sonne.
(Mond lächelt)
Peter und Daniel betreten die Bühne. Sie haben jeder eine Flasche Bier in der Hand. Sie torkeln schon etwas. Peter lehnt sich an seinen Kumpel und sag:
Peter: Endlich haben wir unseren Klassenlehrer abgehängt. Jetzt geht’s richtig los. –Hicks.
Er schaut verwirrt auf seine Flasche.
Peter: Sag mal – was trinken wir hier eigentlich für’n Zeug?
Daniel: Keine Ahnung – Hat mir son Holländer empfohlen – Schmeckt doch gut.
Peter liest das Etikett: Steht Seebahnerbräu drauf.
Daniel lacht: Kligt wie Nordseepansche – Was ist denn für’n Werbespruch drunter?
Peter: (Zettel)
Daniel: Alles klar – Ich hab schon immer gewusst – dass die spinnen, die Holländer
Maria und Johann betreten die Bühne von der anderen Seite. Peter sieht sie und zieht Daniel zu sich heran.
Peter: Schau mal da vorn – dass sind doch – Maria und Johann – Die haben sich wohl auch abgeseilt.
Daniel: Und dann noch Hand in Hand – Die sind wohl auch schon besoffen.
Peter: Die wollen da in die Kneipe – Komm wie folgen ihnen.
Maria und Johann verschwinden in der Kneipe. Sie setzen sich an einen Tisch in der Ecke. Es sind noch zwei weitere Gäste in der Kneipe.
Auf der Bühne ist Livemusik. Die Gruppe der drei Musiker trägt den Namen „The Yesterdays“ – was so viel heißt wie: Wir sind von gestern. So klingt auch ihre Musik.
Sänger (sing): Und der Haifisch, der hat Zähne, und die falln ihm aus dem Mund. Und deshalb kann er nicht futtern und das ist gar nicht gesund.
Die Musiker, dazu ein Gitarrist und ein unendlicher süßer Triangelschläger, machen das Lied noch unerträglicher. (Musiker spielen irgendwas).
Trotzdem applaudiert das Publikum, als sei es bei „Deutschland sucht den Superstar“. (Publikum applaudiert laut).
Einer der Gäste, der sich wohl für Dieter Bohlen hält, kann sich einen lauten Kommentar nicht verkneifen und ruft in die Menge.
Gast 1: (Zettel)
Babette, die aufreizende Kellnerin, nähert sich Maria und Johann. Sie beugt sich tief zu ihnen herab und sagt:
Babette: Na, ihr beiden Süßen – Dürft ihr überhaupt schon so lange aufbleiben? – Was kann ich euch denn Gutes tun?
Johann: Wir sind beide schon 18 – und haben längst Führerschein.
Babette dreht sich zu anderen Gästen um und sagt:
Babette: Habt ihr das gehört? – Heute lassen sie ja wohl jeden hinters Steuer.
Gast 2: Die sind ja auch aus Deutschland – Die sind alle in der Entwicklung ein bisschen hinterher.
Johann will empört aufspringen, doch Maria beruhigt ihn.
Maria: Johann – Schatzi – Wir stehen doch über den Dingen – Lass sein!
Johann setzt sich wieder und grunzt wie ein beleidigtes Wildschwein.
(Johann grunzt)
Maria dreht sich übertrieben süßlich zur Kellnerin um.
Maria: Sind Sie in der Lage – Uns zwei tropische Cocktails zu bringen?
Babette schnippisch: Klar, Süße – Aber nur, weil du es bist.
Nun schleichen sich Peter und Daniel in die Kneipe und verstecken sich in der anderen Ecke. Peter rümpft die Nase.
Peter: Ganz schon verrauchte Bude hier.
Daniel nickt zustimmend.
Daniel: Und die Musik erst. – So viel Bier kannst du gar nicht trinken, – um das auszuhalten.
„The Yesterdays“ stimmen nun ihren nächsten Song an.
Sänger: Auf dem Nordseedeich nachts um halb vier – Trinkt der Christian mit mir noch drei Bier.
Der Triangelspieler schlägt wie wild auf sein Instrument ein.
Das Publikum tost und johlt vor Begeisterung.
Daniel: Ich hätte nie gedacht, – dass die hier so gruselige Musik machen.
Plötzlich bricht die Musik ab. Es wird totenstill in der Kneipe. Babette lässt vor Schreck fast das Tablett mit den Cocktails fallen. Ein riesiger schwarzer Mann kommt herein.
Publikum: UUUUUUUUUUH!
Er sieht total unheimlich aus. Er zieht mit der rechten Hand seine Jacke nach hinten und alle können sehen, dass er bewaffnet ist.
Publikum: UUUUUUUUUH!
Hinter dem Tresen kommt eine weitere Gestalt dazu. Ebenso dunkel. Sie tut es dem anderen schwarzen Mann gleich. Auch sie trägt eine Waffe.
Publikum: Oh Oh!
Schwarzer Mann: Endlich hab ich dich gefunden – Black Death – Jetzt kommt der Tag der Abrechnung.
Schwarze Gestalt: Dass du dich hierher traust – du lausiger Loser – Dass wir diese Rechnung begleichen – darauf freue ich mich schon lange.
Maria und Johann verstecken sich unter dem Tisch.
Der Sänger der Yesterdays will Schlimmeres verhindern. Er stellt sich zwischen die beiden und ruft.
Sänger: Peace, Freunde – ein bisschen Frieden. – No violence – Nix bumma.
Beide dunklen Gestalten ziehen ihre Waffen und erschießen kaltblütig den Sänger. Der fällt auf den Boden, windet sich vor Schmerz. Seine letzten Worte sind…
Sänger: (Zettel)
Der Sänger stirbt. Die anderen beiden Musiker schluchzen laut.
Schwarzer Mann zufrieden: Nun kann der keinem mehr die Ohren voll jaulen.
Publikum traurig: OOOOOOOH!
Schwarzer Mann zum Publikum: Ruhe auf den billigen Plätzen!
Dunkle Gestalt zum Mond: Hör auf zu grinsen!
Daniel hat mittlerweile sein Handy gezückt und den Notruf betätigt. Doch die anderen Gäste sind schneller. Da die Holländer als Waffe immer Holzschuhe dabeihaben, wirft Gast 1 mit seinem rechten Schuh auf den schwarzen Mann. Und Gast 2 mit seinem linken Schuh auf die dunkle Gestalt. Beide trifft es hart und sie fallen vor Schmerz stöhnend zu Boden.
Die Gäste überwältigen die Verbrecher und fesseln sie.
Voller Stolz darüber, dass ihnen das gelungen ist, verkündet der Gast, der sich für Dieter Bohlen hält:
Gast 1: (Zettel)
So ist doch alles zu einem guten Ende gekommen. Als die Polizei endlich eintrifft…
Publikum: Tatü tata.
… ist schon wieder Ruhe eingekehrt.
Ein Polizist kommt rein. Als er den toten Sänger am Boden sehen, sagt er
Polizist: Ach, das ist doch der Sänger von den „Yesterdays“. – Na, dann ist ja nichts Schlimmeres passiert. – So, wie der gesungen hat? – Da hätte ich auch geschossen. – Aber jetzt erst einmal weg mit dem Kerl.
Er zieht den toten Sänger von der Bühne und gratuliert den Gästen:
Polizist: Das habt ihr großartig gemacht. – Gut, dass wir Holländer immer bewaffnet sind.
Nachdenklich schaut er zu den Verbrechern.
Polizist: Ich frage mich nur, was die hier wollten – Los, raus mit der Sprache.
Doch die Verbrecher antworten nicht. Da zieht der Polizist dem schwarzen Mann die Kapuze vom Kopf. Sofort fällt ihm die HSV-Raute im Gesicht des Mannes auf.
Daniel hat es auch gesehen und springt auf und ruft laut und begeistert:
Daniel: Ein HSV-Fan – (singend) HSV forever and ever! HSV all the way, all the way!
Als sie der dunklen Gestalt die Kapuze herunterziehen, ist ein Totenjopf zu sehen.
Maria aufgeregt: Ein St.-Pauli-Fan!
Der Polizist, dankbar für die Tipps der Jugendlichen, nimmt die beiden Gestalten daraufhin hart ins Verhör, bis der St.-Pauli-Fan gesteht:
Dunkle Gestalt: Ich habe den Schiedsrichter bestochen, beim Spiel HSV gegen Pauli. Denn sonst hätten wir nie gewonnen.
Der Schwarze Mann nickt und grummelt: Und das kann ein treuer Fan nie verzeihen.
Der holländische Polizist, der sich nur fürs Segeln und Eislaufen interessiert, hat keinen Sinn für solche lebensentscheidenden Fanfragen. Die Verbrecher werden abgeführt. Zur Beruhigung der Gäste ruft er:
Polizist: Und nun eine Runde Käsebrot für alle!
Denn das hilft in Holland immer.
Maria und Johann sitzen wieder am Tisch und füßeln aufgeregt miteinander. Daniel und Peter haben sich zu ihnen gesetzt. Johann beugt sich zu den anderen und flüstert:
Johann: Das glaubt uns keiner – wenn wir das zu Hause erzählen.
Der Polizist kommt noch einmal zu den Kids.
Polizist: Besser, ihr vergesst das hier – Nehmt dies – Dann wird alles wieder gut.
Ein unergründliches Päckchen wandert von der Hand des Polizisten in die Hand von Daniel.
Polizist: Klasse Zeug – vertraut mir – und dann: Schwamm drüber.
Peter schnuppert an dem Paket und sagt begeistert:
Peter: (Zettel)
Die beiden verbliebenen Musiker trocknen sich die verweinten Augen und bereiten sich auf ihren nächsten Auftritt vor. Zwischen „The“ und „Yesterdays“ füllen sie die Worte „rest of the“ ein. Dann singt der süße, unwiderstehliche Triangelspieler.
Triangelspieler: So ein Tag, so wunderschön wie heute, so ein Tag, der dürfte nie vergehen.
Das Lied ist für den Tag so daneben, dass selbst dem Mond nicht mehr zum Lächeln zumute ist. Der Mond wird ernst und spricht das Schlusswort:
Mond: (Zettel)
Und der Vorhang schließt sich schnell.
Applaus!!!
© Anke Dittmann