So ein Zufall

Worte der Kinder für die Geschichte für die 3.Klasse an der Grundschule Ratekau

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So ein Zufall                                                         

Nur widerwillig hatte sich Mats ins Auto gesetzt, denn jetzt hieß es endgültig Abschied nehmen. Warum musste sein Vater sich auch einen anderen Job suchen und dann noch in einer so weit entfernten Stadt! Mats wollte nicht umziehen. Aber er war ja nicht gefragt worden. Es sei gerade günstig, hatte seine Mutter gesagt, da er ja nach der vierten Klasse sowieso die Schule wechseln würde. Er wäre aber viel lieber mit seinen Kumpels zusammen in die Gesamtschule gegangen. Das war echt ein harter Abschied gestern Abend von seinem besten Freund Oleg. Geweint hat natürlich keiner, sie sind ja beide harte Jungs, aber schwer geschluckt haben sie und sich versprochen, ihr Leben lang in Kontakt zu bleiben.

Ihre alte Wohnung lag jetzt schon weit hinter ihnen. Sie hatten die Landstraße verlassen und fuhren nun am nächsten Straßenkreuz auf die Autobahn. Seine Mutter fragte Mats, ob er etwas essen möchte und reichte ihm eine Banane. Aber Mats fühlte sich eher so, als hätte ihm gerade jemand ein Schwert in die Magengegend gerammt. Eine Banane wäre jetzt sein Tod. Er winkte ab.

„Ich freue mich auf unser neues Haus“. Mit diesem Satz versuchte seine Mutter die Stimmung im Auto zu heben, denn sie waren alle traurig. „Dein neues Zimmer, Mats, ist ja viel größer als das in der Wohnung.“

„Hm!“, grummelte er nur und nickte. Klar, das neue Zimmer war klasse und aus der Wohnung in ein kleines Reihenhaus zu ziehen, war mehr als okay. Aber, warum musste es so weit weg sein!

Mittlerweile waren sie schon zwei Stunden auf der Autobahn und sein Vater fuhr an die nächste Raststätte, Pause und Fahrerwechsel.

Mats bummelte mit seinen Eltern durch den Shop bei der Tankstelle. „Such dir etwas aus“, hatte sein Vater gesagt, um ihn aufzumuntern. Mats schlenderte beim Plastikspielzeug vorbei. Von seiner Stimmung her hätten jetzt ein Maschinengewehr oder besser noch eine Panzerfaust gut gepasst, weil er in sich so wütend war und traurig. Aber es gab nur eine Gummihandgranate. Und Mats wusste, das war eigentlich alles Quatsch und hier viel zu teuer. So entschied er sich für ein kleines Würfelspiel. Der Umzug war auch ganz schön teuer gewesen und er wusste, dass das Geld noch knapp war, trotz des neuen Jobs. Seine Eltern kauften eine Sportzeitung, denn sein Vater war ein Handballfan, und ihm kauften sie noch ein Eis. Er aß es, obwohl er keinen Hunger hatte.

Als sie zum Wagen zurückgingen, entdeckte Mats einen großen Hund, der an einem Laternenpfahl angebunden war. Er hatte ein langes schwarzes Fell und sah ganz niedlich aus. Als der Hund Mats bemerkte, stellte er die Ohren auf. Am liebsten wäre Mats auf den Hund zugegangen und hätte ihn gestreichelt. Aber Mats wusste, bei Hunden muss man vorsichtig sein, man weiß ja nie. Ob ihn vielleicht jemand vergessen hatte oder ausgesetzt? Manche Menschen sind ja so gemein. Wenn ihn jemand ausgesetzt hat, könnten sie ihn vielleicht mitnehmen? Mats begann zu träumen. Wie schön wäre es, wenn er den Hund mitnehmen könnte. Dann wäre er nicht so allein in der neuen Umgebung.

„Du kannst ihn gern streicheln“, sagte da auf einmal eine Stimme hinter ihm. Mats fuhr zusammen. „Also er ist eigentlich eine sie und ganz lieb. Sie hat noch niemandem etwas getan.“ Mats dreht sich zu der Stimme um. Sie stammte von einem Jungen etwa in seinem Alter. Ohne zu antworten näherte sich Mats vorsichtig der Hündin und streichelte sie. Sie legte ihren Kopf dabei ein Stück zur Seite in seine Hand. „Sie mag dich“, sagte der Junge. „Jetzt müssen wir leider weiter, sonst hätten wir noch zusammen mit ihr spielen können.“

Mats nickte, aber sagte nichts. Schade, dachte er nur.

Als sie wieder weiterfuhren, fragte er seine Eltern: „Kann ich einen Hund haben?“ „Um Gottes willen“, rief da seine Mutter. „Du weißt doch, Papa hat eine Tierhaarallergie.“ Ach ja, daran hatte er nicht mehr gedacht, deshalb war ja schon sein Wunsch nach einem Hamster oder einem Kaninchen gescheitert. Und weiße Mäuse hatte Mama ihm verboten. Es hatte sich wohl alles gegen ihn verschworen.

Missmutig schaute Mats aus dem Fenster. Noch weitere zwei Stunden würde die Fahrt dauern, bis sie ihr neues Zuhause erreicht haben würden. Zuhause? Nein, noch konnte Mats sich das nicht vorstellen. Gern hätte er Oleg jetzt an seiner Seite gehabt, aber der war weit weg.

Sein Vater schaltete das Autoradio an. Nachrichten und Verkehrsstudio wollte er hören. Ein Stau – das hätte jetzt gerade noch gefehlt. Von den Nachrichten hörte Mats hinten im Auto nur Wortfetzen „Iran“ und „Atombomben“ und von irgendwelchen Bombenwerfern in Kriegsgebieten. Erst beim Fußball horchte er auf, denn bald begann die Europameisterschaft und er war ein echter Deutschlandfan. Aber noch gab es nichts Spannendes zu berichten.

Endlich erreichten sie ihr Ziel. Nienburg, sein neues Zuhause. Ihr Reihenhaus war am Stadtrand, fast im Grünen. Mats brachte seine Sachen nach oben in sein Zimmer. Im Haus war alles frisch renoviert. Das war einerseits schön und doch zugleich noch kühl und fremd. Mats schaute aus dem Fenster. Das Grundstück grenzte an eine Weide, auf der Pferde standen, und auf dem Baum im Garten entdeckte er ein Eichhörnchen. Und neben an? Was war das?

Mats traute seinen Augen nicht. Das gab es doch nicht. Sofort rannte er die Treppe hinunter ins Wohnzimmer, öffnete die Terrassentür und sprang fast an den Nachbarszaun. Da lag ein großer schwarzer Hund mit langem Zottelfell. Als Mats erstaunt: „Hallo“ hinüber rief, als könnte ihm der Hund antworten, spitzte dieser die Ohren und kam an den Zaun gelaufen. Mats war sich ganz sicher, dass er keine Angst haben müsse. Er griff durch den Zaun durch und graulte den Hund, der seinen Kopf in seine Hand neigte.

„ Hey, ich glaub es nicht!“, rief da eine Stimme, die er heute schon einmal gehört hatte. „Ihr seid unsere neuen Nachbarn?“ Der Junge kam an den Zaun gelaufen. „Das wäre ja klasse, denn hier in der Reihe sind nicht so viele Kinder. Ich heiße Nico.“ Nico reichte ihm die Hand. “Mats“, sagte Mats und schlug ein. Dann lachte er. So ein Zufall.

Wenig später trafen sich alle im Garten. Die „Nicofamilie“ und die „Matsfamilie“. Und schon am ersten Abend war Mats nicht allein, sondern er erkundete mit Nico und dessen Hündin Sally die Umgebung. Nico kam auch auf die Schule, die er jetzt besuchen würde, dann könnten sie sogar zusammen Hausaufgaben machen. Viel wichtiger war es aber, dass Mats sich nicht mehr allein fühlte. Nach dem Spaziergang spürte er, wie groß sein Hunger war und er verschlang geradezu das Käsebrot, das seine Mutter ihm gemacht hatte. Und morgen? Morgen würde er alles Oleg am Telefon erzählen und dann mit Nico und Sally den Ort erkunden.

©Anke Dittmann 10.06.2012

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