Predigt Osternacht

Gnade sei mit uns und Friede von Gott. Er segne unser Reden und Hören. Amen.

Liebe Gemeinde!

Der Sabbat nach der Kreuzigung Jesu ist vorbei, mit dieser Nacht bricht der dritte Tag an. Wo mögen die Freunde Jesu, die verbliebenen 11 Jünger und auch seine Jüngerinnen zu dieser Zeit gewesen sein? Es ist noch dunkel in Jerusalem, wie bei uns jetzt. Konnten sie schlafen? Waren die Frauen gedanklich schon bei ihrem Gang zum Grab am Sonnenaufgang? Hatte Jesu Tod Jesu Anhängern die Sprache verschlagen oder mussten sie immer wieder miteinander im Verborgenen darüber reden, weil es so unglaublich war, dass er, Jesus, ihr Retter und Meister, der Messias, gestorben war, und weil es so unglaublich schwer auszuhalten war? Weinte Petrus noch oder Maria Magdalena? Wir wissen es nicht.

Aber wir wissen, dass die Jüngerinnen und Jünger damals noch vor dem Ostergeschehen standen. Sie erlebten diese Nacht noch ohne Hoffnung. Oder erinnerte sich doch der ein oder andere, dass Jesus von seiner Auferstehung gesprochen hatte? Wie sollte das nach der grausamen Hinrichtung möglich sein?

Ich glaube, sie waren im Ungewissen und traurig wie die, die keine Hoffnung haben, wenn jemand gestorben ist. Sie taumelten in eine ungewisse Zukunft, wie wir es in Trauerzeiten selbst spüren, wenn ein Abschied uns die Kraft nimmt, mit den Gedanken in der Realität zu bleiben und der Blick in die Zukunft leer ist. Heute würde man sagen, sie sind traumatisiert. Sie tun mir Leid in diesen Tagen und ich freue mich für sie, dass sie bald Ostern erleben werden.

 

Unsere Situation in dieser Nacht ist anders. Wir blicken nicht in eine leere Zukunft, sondern wir warten auf den Ostermorgen. Wir erwarten etwas. Wir wissen, was kommt. Jesus wird auferstehen. Der Karfreitag, der nicht enden wollte für die Freunde Jesu, hat ein Ende und es wird hell, hoffnungsvoll, das, woran wir glauben und worauf wir hoffen, lebt weiter, breitet sich aus, lässt Menschen aus Notlagen auferstehen.

Und wir warten doppelt, warten auf die Feier des Ostermorgens mit der Auferstehung und warten wie jeden Tag unseres Lebens darauf, dass der neue Himmel und die neue Erde kommen, in denen Gerechtigkeit wohnt.

Bei uns, wo es uns gut geht, ist diese Naherwartung nicht sehr ausgeprägt, bei anderen Menschen, die im Leid leben, im Unrecht, im Krieg kann das ganz anders sein. Zur damaligen Zeit war diese Hoffnung sehr ausgeprägt und die Menschen sorgten sich, als Gemeindemitglieder starben vor Jesu Wiederkehr.

Trotzdem, also auch, wenn es bei uns nicht obenauf liegen mag, ist diese doppelte Erwartung wichtig. Der Ostermorgen, auf den wir uns freuen dürfen, erinnert uns an die Auferstehung, die uns zeigt, selbst nach dem Tod geht es weiter. Das ist unsere Hoffnung bei Abschieden, wenn wir am Grab stehen und die Trennung aushalten müssen. Es ist auch eine Hoffnung für Situationen, die etwas in uns getötet haben. Auch eine Trennung in einer Beziehung kann ein Karfreitagserlebnis sein, eine schwere Enttäuschung, wenn ein Freund mich an andere verraten hat, etwas Persönliches preisgab, was sonst eigentlich keiner wissen sollte, tötet Vertrauen. Eine Entlassung nach vielen langen treuen Jahren in einer Firma ist wie ein Karfreitag, etwa beim reinen Blick auf Gewinnmaximierung. Oder die Nacht vor einer schweren Operation.

Wer dann wieder erwacht und lebt, wer dann wieder auch ohne die Arbeit in etwas Neuem Sinn findet, wer wieder Vertrauen wagt und es als gerechtfertigt erlebt oder den Mut zu einer neuen Beziehung findet, erfährt Ostern. Und wer in solch schweren Tagen bis dahin um Hoffnung weiß, – wer glaubt, dass das nicht alles war, weil da jemand ist, der uns zur Seite steht, der oder die zündet im Dunkel der Nacht solch ein Licht an, wie wir mit der Kerze am Osterfeuer. Und dann warten wir nicht nur auf den Morgen, sondern erwarten auch noch etwas.

Wie gut, dass es diese Auferstehung im Leben auch gibt.

Und die andere Erwartung ist die, dass Jesus, wie wir es im Glaubensbekenntnis sagen werden, wiederkommen wird in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten, und seiner Herrschaft wird kein Ende sein. Die uns geschenkte Welt, in der wir uns bewähren können, wird einmal vergehen und dann umgibt uns ganz und gar das, was Jesus schon mit seiner Liebe vorgelebt hat.

Ich bin dankbar, dass ich die hoffnungslosen Tage der Jünger nicht durchmachen musste, und dass die ersten Christen uns so eindrücklich auf vielfältige Weise die Auferstehung Jesu erzählt haben. Ein überwältigendes Erlebnis, das wir jedes Jahr feiern wie eine Neugeburt.

Der Auftrag des Auferstandenen ist dann klar: Erzählt allen Menschen davon, tauft sie, lehrt sie, breitet die Liebe Gottes aus. Wir sollen also nicht tatenlos warten, sondern haben Anteil daran, Gottes Himmel auf der Erde auszubreiten.

Das ist eine wunderbare Sache und voller Wunder. Thomas Edison hat einmal gesagt: „Wer beim Warten nicht die Hände in den Schoß legt, dem fällt alles zu.“ Solch ein Warten ist kein Stillsitzen, es ist ein dynamisches Warten, ein Erwarten. Und wie schön sind da viele Erlebnisse, wo wir helfen, wo wir vermitteln, wo wir trösten, wo wir den Mund aufmachen für die Stummen, wo wir zusammen feiern.

Für den Weg in den Ostermorgen und auf dem gemeinsamen Weg dem Himmel Gottes entgegen, stärken wir uns heute mit Brot und Kelch. In Erinnerung an den, der zum Sonnenaufgang wieder gelebt hat und zur Stärkung für unser Mittun der Liebe Gottes unter uns. Wir warten hier zusammen in dieser Nacht, die ganz anders als all die anderen Nächte ist, weil sie uns an Befreiung erinnert, an Neuanfänge aus tiefstem Dunkel, an Hoffnung, wo wir sie verloren hatten, und an den, der spricht: „Und siehe , ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“

Diese Erinnerung und dieses erwartende Warten heute Nacht tun uns gut, besonders für die Zeiten, wo wir in Gefahr sind, Hoffnung zu verlieren. Das Licht, was heute schon entzündet ist, trägt uns in den Morgen. Sie alle können sich nachher solch ein Hoffnungslicht mitnehmen für diese Nacht und für Erfahrungen, wo sie genau diese Botschaft brauchen.

Noch warten wir, es ist dunkel, wir werden noch ruhen bis zum Sonnenaufgang, aber dann freuen wir uns für die Freunde Jesu damals, für alle, die keine Hoffnung mehr haben und für uns. Wir sind nicht im Ungewissen, denn der Herr ist auferstanden. Er lebt und wir mit ihm. Halleluja. Amen.

 

Anke Dittmann ©

 

 

 

 

 

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