„Hat Maline dich auch zu ihrem Geburtstag eingeladen?“, fragte Nico seinen Freund Max in der Pause.
„Ja“, antwortete der, „weißt du, dass es eine Kostümfete werden soll?“
„O weh! Als was verkleidest du dich?“, wollte Nico wissen.
„Ich habe noch keine Idee.“
„Geh doch als Banane“, witzelte Marie, die das Gespräch der beiden mitgehört hatte. „Bist ja eh so lang und dünn.“
„Halt die Klappe“, gab Max schroff zurück und entfernte sich mit Nico ein paar Schritte.
„Dass Mädchen einem immer so auf die Nerven gehen müssen“, stöhnte er.
„Marie kann eben einfach nicht ihren Mund halten“, meinte Nico.
„Von Paul weiß ich, dass er als Fußballspieler kommen will und Emma wird sich als Tänzerin verkleiden“, sagte Max.
„Nicht besonders einfallsreich, finde ich“, meinte Nico.
„Uns wird schon noch was Besseres einfallen“, meinte Max, „hauptsache meine Mama will mich nicht in das alte Hasenkostüm reinzwängen.“
Nico lachte und Max schaute ihn böse an.
„Entschuldigung“, sagte Nico, „aber das ist wirklich eine zu komische Vorstellung, wie du mit langen Ohren und Zähnen durch das Wohnzimmer hoppelst.“
„Du bist auch nicht viel besser als Marie“, gab Max sauer zurück.
Es klingelte zur Stunde und Nico und Max mussten sich jetzt erst einmal auf den Matheunterricht konzentrieren, denn in der nächsten Stunde sollte eine Arbeit geschrieben werden.
Auf dem Weg nach Hause dachte Nico weiter darüber nach, was er zu diesem Kostüm-Geburtstag anziehen könnte. Aber das war gar nicht so leicht. Als Cowboy oder Indianer war er schon im Kindergarten verkleidet gewesen und Pirat war auch nicht originell.
Zuhause beim Mittag fragte er seine Mutter: „Wie soll ich mich verkleiden zu Malines Geburtstag?“ Und im gleich Moment bereute er es, denn sein großer Bruder Eric antwortete: „Geh doch als gegrilltes Hähnchen mit deiner Gänsehaut!“
Nicos Mutter schaute Eric streng an, doch der antwortete: „Ist doch wahr, dies Verkleiden ist doch Kinderkram.“
„Ich finde die Idee ganz gut“, antwortete seine Mutter. „Nico, geh doch als Gespenst.“
„Langweilig“, meinte Nico.
„Dann als Indianer.“ – „War ich schon im Kindergarten.“ – „Dann geh als irgendein Tier.“
„Oh ja, Nico könnte ja als Brillenschlange gehen, so lange wie der immer über den Büchern hockt“, warf Eric ein und wurde daraufhin von seiner Mutter aus der Küche gewiesen.
„Wenn dir jetzt nichts einfällt, denke einfach eine Weile nicht darüber nach. Denn die besten Gedanken kommen oft von allein“, tröstete ihn seine Mutter, stand auf und deckte den Tisch ab. Nico half noch ein wenig und ging dann auf sein Zimmer.
Die Sache mit dem Kostüm ging ihm nicht aus dem Kopf. Er konnte sich gar nicht auf die Hausaufgaben konzentrieren. Er ärgerte sich, als er sich deshalb so oft im Deutschheft verschrieb. So hörte er einfach auf und warf sich auf sein Bett. Er schaute sich im Zimmer um.
Er brauchte einfach eine tolle Idee. Sein Blick wanderte über sein Bücherregal. Da stand sein Angelbuch mit dem Xander vorne drauf. Aber als Fisch wollte er sich nicht verkleiden. Dann stand dort das alte Bilderbuch von dem kleinen Spatz Pieps, aber dafür fühlte sich Nico zu alt. Dann kamen die Bücher über Afrika. Eric hatte sie ihm geschenkt. Der hatte ja auch zum Schrecken seiner Mutter einen Skorpion im Terrarium.
Einen Moment dachte Nico darüber nach, wie ein Skorpion-Kostüm aussehen könnte.
„Nein, das würde nicht gehen, viel zu schwer“, dachte er dann.
Ihm wurde langweilig. Er schnappte sich seine leere Brotdose aus dem Ranzen, brachte sie zu seiner Mutter in die Küche und schnappte sich noch einen Apfel. Dann rief er nach Capucina. Capucina war ihr Hund, genau gesagt eine alte Mischlingshündin. Sie war kaffeebraun und wuschelig. Mama hatte sie aus dem Tierheim geholt. Die Hündin war so alt, dass sie niemand sonst mehr haben wollte. Sie hatten in der Familie schon oft alte Hunde gepflegt.
Nico lief die übliche Runde mit Capucina durchs Dorf. Auf dem Weg traf er Max.
„Hallo“, rief der schon von Weitem. Sie gingen ein Stück gemeinsam.
„Na, hast du schon eine Idee für das Kostüm?“, fragte er Nico.
„Ne“, gab Nico etwas griesgrämig zurück.
„Ich komme als Feuerwehrmann“, sagte Max dann. „Vielleicht gibt es ja draußen noch ein Lagerfeuer, dann ist so ein Feuerwehrmann gut zu gebrauchen. Außerdem habe ich ja alle Sachen dafür.“ Max war bei der Jugendfeuerwehr.
„Der hat es gut“, dachte Nico.
Max war auf dem Weg zur Apotheke und verließ Nico wieder.
Jetzt kam Maline auf ihn zu. Auch das noch.
„Na, wie geht es dir, Nico?“, fragte sie.
„Schon okay“, antwortete er.
„Ich bin mal gespannt auf dein Kostüm zu meiner Feier“, sagte sie dann.
„Ich auch“, dachte Nico, sagte es aber nicht laut.
„Hast du schon eine Idee?“, fragte sie.
Nico, dem das Thema nun schon auf die Nerven ging, rief lauter als gewollt: „Nein, noch nicht.“
Maline erschrak. „Du lieber Gott! Ich hab dich doch nur gefragt. Was ist denn mit dir los?“
Nico sagte nichts.
„Ich komme als Modedesignerin Bentch.“ Maline sprach weiter, ob er zuhören wollte oder nicht. „Mama und ich haben dafür extra ein tolles Kleid entworfen.“
„Schön für dich“, meinte Nico.
„Dir wird bestimmt auch noch was einfallen, Nico“, sagte Maline dann, um ihn aufzumuntern, „Hauptsache, du kommst. Es wird bestimmt lustig.“
Maline ging wieder ihrer Wege und Nico schlurfte mit der alten, langsamen Capucina über den Dorfplatz Richtung Kirche.
„Schade, dass es bei uns keinen McDonalds gibt“, dachte Nico, „ich würde jetzt gern eine Portion Chicken McNuggets verdrücken.“ Aber bis zum nächsten McDonalds war es weit, zu weit für ihn und vor allem für Capucina.
Als sie bei der Kirche vorbei gingen läutete auf einmal eine der Glocken. Nico wunderte sich.
Es klang traurig, wie bei einer Beerdigung oder wie am Karfreitag. Und als er zum Kirchturm hinaufschaute, kam ihm plötzlich die Idee. Jetzt wusste er, wie er sich verkleiden würde. Nicht als Drache oder Krokodil, nein, viel besser. Solch ein Kostüm hatte es noch nie gegeben! Nicos Gesicht hellte sich auf und er kraulte Capucina hinter dem Ohr. Sie schaute ihn dankbar an.
„Solch ein Spaziergang ist eine gute Sache“, dachte er. „Danke, Cina!“ Er beschleunigte seinen Schritt und konnte es kaum erwarten nach Hause zu kommen.
„Hallo Mama“ schrie er durch das ganze Haus, als er zurück war. „ich habe eine Idee. Die Idee!“
Seine Mutter kam die Treppe herunter in die Küche, wo Nico schon gespannt am Tisch saß. Stift und Papier hatte er sich schon gegriffen.
„Na, jetzt bin ich aber gespannt“, sagte seine Mutter.
Nico strahlte sie an. „Ich gehe zum Kostümgeburtstag als der liebe Gott“, verkündete er dann feierlich.
Seine Mutter lehnte sich ein Stück zurück und runzelte die Stirn. Aber sie kannte ihren Sohn. Wenn Nico sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann würde er nicht lockerlassen.
„Du sollst dir aber kein Bild von Gott machen, heißt es in der Bibel“, sagte sie, „Gott ist überall, wie soll das Kostüm denn aussehen?“
„Ich habe schon eine Idee“, sagte Nico. „Du nähst mir einen Umhang aus einem alten Bettlaken und ich bemale es mit allem, was mir zu Gott einfällt.“
So kam es. Als Nicos Mutter das Kostüm genäht hatte, legte Nico es sorgsam auf den großen Esstisch. Dann legte er alte Zeitungen hinein und begann zu malen. Erst die eine und dann die andere Seite. Extra Stoffmalstifte hatten sie dafür gekauft.
Seine Mutter staunte. Nico malte die Erde mit Tieren im Wasser und auf dem Land. Er malte Menschen mit verschiedenen Hautfarben und leckere Sachen zu essen. Dann malte er Jesus, seine Geburt in Bethlehem und wie er die Kinder segnete und dann seine Kreuzigung. Er malte ein großes Herz und ein großes Ohr und einen Mund mit einer Sprechblase. In der Sprechblase standen die 10 Gebote.
Seine Mutter setzte sich zu ihm und sie überlegten gemeinsam weiter. Im Alten Testament sei Gott auch als Wind beschrieben oder als Feuersäule und als Licht, meinte die Mutter. „Außerdem hält er die schützende Hand über uns“, ergänzte Nico und malte eine Hand. „Gott ist auch da, wo Menschen sich verstehen“, überlegte seine Mutter weiter. „Dann male ich zwei, die sich umarmen“, schlug Nico vor.
Es dauerte sehr lange, bis Nico das Kostüm fertig gemalt hatte. Aber es wurde wunderschön, lebenslustig und bunt.
Endlich kam Malines Geburtstag. Nico hatte es geschafft, von seinem Kostüm noch nichts zu verraten.
Er zog es schon Zuhause über. Sein Gesicht malte er gelb an und seine Haare sprühten sie goldgelb ein. Das sollte die Sonne sein.
Seine Mutter machte natürlich noch ein Foto von Nico. Solch ein Kostüm hatte es noch nie gegeben.
„Ich bin mir sicher, es würde auch Gott gefallen“, sagte sie Nico noch, als er aufbrach.
Am Abend kam Nico strahlend nach Hause. Es war eine wunderschöne Geburtstagsfeier gewesen. Alle hatten Nicos Kostüm bestaunt. Viele Fotos wurden gemacht: „Der liebe Gott“ mit dem „Feuerwehrmann“, „der liebe Gott“ mit der Modedesignerin Bentch“, „der liebe Gott“ mit dem „Fußballspieler“ und der „Tänzerin“.
Nico zog sein Kostüm ganz vorsichtig aus. Seine Mutter hängte es auf einen Bügel. Es würde in seinem Schrank einen besonderen Platz erhalten, da war sich Nico sicher.
Anke Dittmann 2011©
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